Guttenberg und die Folgen: Hoher Preis

Die bewegende Trauerfeier für die drei in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten öffnet den Blick für tatsächlich existenzielle Fragen. Die Bundespolitik - und das umfasst auch die jetzigen Oppositionsparteien - muss sich auf die wesentlichen sicherheitspolitischen Fragen konzentrieren: Wie hoch ist das Gefährdungspotenzial im Norden?

Was ist mit dem umstrittenen Partnering-Konzept, das die Afghanen mit gemeinsamen Patrouillen auf eine eigenständige nationale Sicherheitsorganisation vorbereiten soll? Im Schatten der Aufmerksamkeit stehen jene schwer verwundeten Bundeswehrangehörigen, die - für ein Leben lang traumatisiert oder schwerst behindert - darum kämpfen müssen, in die Gesellschaft integriert zu werden. Es ist schon richtig: Gemessen an all diesen Problemen sind Promotions-Affären geradezu trivial.

Gleichwohl werden sie die Regierungspolitik viel nachhaltiger beschäftigen als es der Kanzlerin lieb sein dürfte.Es geht dabei vorläufig nicht länger um die Frage: Rücktritt - Ja oder Nein? Es geht um das nicht unbeträchtliche Risiko, das eine bürgerliche Regierung eingeht, wenn sie traditionelle Werte außer Kraft setzt: Und dazu zählen nun einmal Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Die Kanzlerin hat kurzfristig mit ihrem Wort "Ich habe einen Verteidigungsminister gesucht, keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter" die Offensive in der Debatte gesucht.

Es wird ihr noch zu einer drückenden Last werden, denn sie befreit die politische Elite des Landes von ihrer Vorbildfunktion für die Menschen. Sie banalisiert eindeutiges, nachgewiesenes und bereits sanktioniertes Fehlverhalten. "Der Ehrliche ist der Dumme" lautete der Titel eines 1994 erschienenen Buches, das das Lebensgefühl der Deutschen wie nie zuvor traf. Merkel bestätigt diese These und erhebt sie kanzleramtlich zum Bestandteil der politischen Kultur Deutschlands.

Das hat Folgen. Welcher Student - auch an Bundeswehrhochschulen - fühlt sich noch verpflichtet, sich an die Richtlinien bei Examens- oder Doktorarbeiten zu halten, die das Abschreiben/Kopieren/Plagiieren verbieten? Wie soll im Ausland für den Wissenschaftsstandort Deutschland geworben werden, wenn bekannt ist, dass für ein Kabinettsmitglied die Regeln der politisch-wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit außer Kraft gesetzt werden?

Wie ist es überhaupt um die politische Durchsetzungsfähigkeit des Betroffenen selbst bestellt, dessen drastisch gewachsene Abhängigkeit von der Kanzlerin jedem klar sein muss? Sein innenpolitischer Autoritätsverlust ist immens. Die FDP wird ihn triezen. Und ein anderes Problem:Wie kommt er auf internationaler Bühne mit Getuschel und Lästereien der Partner zurecht? Einen Monat vor den Landtagswahlen ist Rücktritt vielleicht zu viel verlangt. Aber der politische Preis der Alternative ist verdammt hoch.

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