Kommentar zum CDU-Parteitag Große Fliehkräfte

Meinung · Die CDU wird aus ihrem Leipziger Parteitag ohne eine Entscheidung über die schwelende Machtfrage hervorgehen. Die Gefahr: Trotz aller Bekenntnisse zur Geschlossenheit drohen die Personaldebatten weiterzugehen, kommentiert Eva Quadbeck.

 Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin, steht beim CDU-Bundesparteitag nach ihrer Rede auf der Bühne.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin, steht beim CDU-Bundesparteitag nach ihrer Rede auf der Bühne.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Beim Boxen würde man Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer den Punktsieg zusprechen. Sie hat eine kämpferische Rede gehalten und am Ende ihre Gegner herausgefordert. Die wiederum gingen in Deckung, weil die Kraft für den K.O.-Schlag nicht gereicht hätte. Zur Frage, wer für die CDU der nächste Kanzlerkandidat wird, gibt es keine Entscheidung, auch keine Vorentscheidung.

Die Häufigkeit, wie oft Geschlossenheit bei einem Parteitag beschworen, angemahnt und beteuert wird, ist in der Regel ein guter Seismograph dafür, wie gefährdet diese tatsächlich ist. Das gilt nicht nur für die CDU. Gemessen daran, ist die CDU längst nicht über den Berg. Die Fliehkräfte sind weiter groß.

Am Ende ist die CDU aber eine rationale Partei. Das Schicksal der SPD vor Augen, die sich auch durch ihre permanente Debatte um die Führungsfrage in den Umfragekeller gewirtschaftet hat, versuchen sich die Christdemokraten diszipliniert zu zeigen. Nachdem Kramp-Karrenbauer ihre Rede mit der Machtfrage beendet hatte, bekam sie sieben Minuten Applaus. Nicht nur ein Erfolg ihrer Worte. In diesen sieben Minuten steckte auch die Sehnsucht der Delegierten, die destruktive Personaldebatte zu beenden. Nun ist die Machtfrage auf 2020 vertagt.

Der angeschlagenen Parteichefin verschafft dieser Verlauf des Parteitags, was sie dringend braucht: Zeit. Zeit, ihre persönlichen Umfragewerte zu verbessern und ihre Machtbasis in der Partei zu festigen. Mindestens bis zum Sommer kann sie allen Kritikern entgegenhalten, dass sie beim Leipziger Parteitag die Chance zur Aussprache, zum Angriff, zur Entscheidung gehabt hätten.

Ob Kramp-Karrenbauer noch Kanzlerkandidatin werden kann, hängt von zwei Faktoren ab. Die wichtigste Voraussetzung für eine Kandidatur sind ihre persönlichen Umfragewerte. Nur wenn sie mehr Sympathien und Vertrauen gewinnen kann, hat sie eine Chance, in einem Jahr zur Kandidatin für die Merkel-Nachfolge gekürt zu werden. Eine große Rolle spielt zudem die Frage, ob und in welchem Umfang die drei mächtigen CDU-Männer aus NRW, Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz, eine gemeinsame Linie finden. Die Chancen, dass die drei sich zusammenschließen und einen von ihnen als nächsten Kanzlerkandidaten ausgucken, tendieren Stand heute gen Null. So könnte AKK die Unfähigkeit ihrer Konkurrenten zur Kooperation die Kanzlerkandidatur sichern.

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