Kommentar Gelenkter Protest

Die Methoden gleichen sich aufs Haar: Auch in China sind öffentliche Proteste normalerweise nicht erlaubt. Ausnahmen gab es jedoch vor zwei Jahren, als im Inselstreit mit Japan chinesische Demonstranten für ein paar Tage lautstark vor japanischen Einrichtungen randalieren durften.

Die Botschaft dieser gelenkten Proteste war eindeutig: Volk und Regime ziehen an einem Strang. Nun bedient sich die vietnamesische Führung im sich zuspitzenden Konflikt um Territorien im Südchinesischen Meer derselben Mittel - nur eben gegen China.

Vielleicht liegt es in der Natur dieser beiden sich als kommunistisch bezeichnenden Regime: Das Volk darf seinem angeblichen Willen nur dann öffentlich Gehör verschaffen, wenn es den autoritären Obrigkeiten gerade passt. Es dürfte diesen Regimen nicht einmal schwergefallen sein, ein paar Tausend krawallwillige Randalierer auf die Straße zu bringen. In Ländern, in denen jegliche Formen von freien Meinungsbekundungen unterdrückt werden, treibt es die Menschen auf die Straßen. Und mit nationalistischen Vorgaben lässt sich ein Mob besonders leicht anstacheln.

Geheuchelt ist dieses Vorgehen allemal. Durchschaubar auch. Deswegen sollten die Machthaber in Peking und Hanoi aufpassen: Der Schuss kann nach hinten losgehen. Hat das Volk erst einmal Gefallen am Straßenprotest gefunden, kann sich der Unmut schnell gegen die eigene Führung richten. Und dann dürfte rasch deutlich werden, was der Inselstreit in Wirklichkeit ist: Ein Nebenschauplatz, der von den eigenen Defiziten ablenken soll.

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