Kommentar Gefährliches Zögern - Die EU und die Krise

Das harte Wort von der "sozialen Revolution" hängt wie ein Damoklesschwert über der EU. Bittere Zahlen über Wettbewerbsfähigkeit und Konjunkturverlauf sind schwer zu ertragen. Da schien es fast schon zwangsläufig, dass man sich mit der Debatte um Waffenlieferungen für die syrische Opposition einen moralisch edlen Ersatzkriegsschauplatz suchte.

Doch die Staats- und Regierungschefs können sich nicht aus der Verantwortung für das wachsende Potenzial an Unzufriedenheit in den eigenen Reihen davonstehlen. Diese Gemeinschaft trägt inzwischen so viel Zündstoff in sich, dass einem angst und bange werden kann. Dabei sind die Rufe nach Maßnahmen, die die zweifellos richtige Haushaltskonsolidierung begleiten, ja nicht neu. Aber anstatt mit all dem zu beginnen, was auf dem Tisch liegt, schiebt man es von der rechten auf die linke Seite und wieder zurück.

Natürlich hat der Kommissionspräsident mit seiner fast schon drastischen Analyse am Beginn dieses Gipfels recht: Bei den notwendigen, ja überfälligen Reformen geht es keineswegs nur um milliardenschwere Konjunkturprogramme, sondern um ein Fitness-Programm für den ganzen Staat. Effiziente Verwaltungen, eine florierende Kreditvergabe und ein Update der Steuersysteme brauchen keine Genehmigung durch Brüssel und keine Einstimmigkeit.

Solche Bremsen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu Hause lösen. Er muss allerdings mit einer Menge Widerstand rechnen. Diese Reformen sind längst nicht mehr nur eine Aufgabe für Krisenstaaten, die oft etwas von oben herab belächelt werden. In der Reihe derer, die endlich den Trend umkehren müssen, stehen auch große Nationen wie Frankreich, die Niederlande, Spanien und Italien.

In dieser Situation muss ein Gipfel ohne Entscheidungen kein Nachteil sein, wenn der Austausch Dinge bewusst macht und Korrekturen vorbereitet. Ob das wirklich so war, wird man erst beurteilen können, wenn es beim nächsten Treffen im Juni zum Schwur über die Wirtschafts- und Währungsunion kommt. Doch bislang sieht es eher düster aus.

Dass alle über die Arbeitslosigkeit jammern, aber kaum jemand konkrete Schritte vorweisen kann, um die bereitgestellten 120 Milliarden Euro des Wachstumspaktes in die Hand zu nehmen, ist ein Armutszeugnis. Die Kanzlerin hat schon Recht, wenn sie sagt: Das Geld muss endlich bei den Menschen ankommen. Warum das bisher unterlassen wurde, verstehe, wer will.

Denn dass die Mitgliedstaaten mehr tun könnten, als nur auf die Konjunktur-Aufhellung zu warten, beweisen die Zahlen aus den vergleichsweise gesunden Ländern wie Deutschland oder Finnland und auch Polen. Nicht die Sparauflagen sind das Problem, sondern die mangelnde Bereitschaft, aus der Krise die richtigen Lehren zu ziehen.

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