Kommentar G7-Gipfel - Ohne Brechstange

Für G7-Gegner und -Kritiker ist jetzt schon klar. Auch dieser Gipfel bringt, wenn überhaupt, wenig. Er produziert viel Rauch um Nichts.

Allenfalls zementiert das G7-Treffen die ungleichen Lebens- und Wettbewerbsverhältnisse zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden der Erdkugel. Er sichert den größten westlichen Industriestaaten Reichtum und Wohlstand und ihren privilegierten Zugriff auf die Ressourcen der Welt. Dagegen steht ihr Protest, der legitim ist, solange er friedlich bleibt.

Tatsächlich aber tragen die G7-Staats- und Regierungschefs große Verantwortung für die Welt als Ganzes. Die großen Themen auf diesem Erdball wie Klimaschutz, Gesundheitsvorsorge gerade in ärmsten Ländern, wie die Ebola-Epidemie in Afrika vor Augen geführt hat, oder Schutz von Flüchtlingen, werden nicht in Revolutionen vorangetrieben. Nur wenn Staaten mit dem nötigen politischen und wirtschaftlichen Gewicht sie anschieben, gibt es eine Chance auf bessere Lebensbedingungen für Millionen Menschen.

Alles nur Gipfel-Lyrik? Der Fortschritt kommt in solchen Fällen schneckengleich daher. Es kann sein, dass die G7 und mit ihnen bedeutende Schwellenstaaten wie Indien, Brasilien, Russland, China oder Südafrika zu spät und zu zögerlich gegen den Klimawandel kämpfen und deshalb das angestrebte Ziel verpassen, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Aber es ist doch ein Zeichen, dass inzwischen auch die Großmacht China die Notwendigkeit erkennt, ihre klimaschädlichen Emissionen ab 2030 zu senken. Merkel wird aus Elmau nicht als Klima-Kanzlerin abreisen, aber sie wird doch alles tun, um die anderen G6 dafür zu gewinnen, die Weltklimakonferenz Ende dieses Jahres in Paris zu einem Erfolg werden zu lassen

Merkel muss solche Minimalkompromisse als Fortschritt werten, weil in der Weltpolitik mit der Brechstange wenig zu erreichen ist, wie das Beispiel Russland und dessen nichtstaatlicher Krieg im Osten der Ukraine zeigt. Was sind die G7 ohne Russland wert? Mit Russland zu reden, ist grundsätzlich besser, als Präsident Wladimir Putin zu isolieren. Aber es gibt Regeln. Und es gibt das Völkerrecht. Putin hat in brutaler Weise die territoriale Ordnung in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg verändert. Er hat sich mit der Halbinsel Krim Land genommen, das ihm nicht gehört. Das konnte nicht folgenlos bleiben. Doch Russland ist wie China Vetomacht im UN-Sicherheitsrat. Russland ist einer der größten Treibhausgas-Verursacher. Ein globales Klimaschutzabkommen wird es kaum ohne Russland geben können.

Aber die G7 sind auch eine Wertegemeinschaft, aus der sich Russland bis auf weiteres verabschiedet hat. Es ist wahrscheinlich, dass das Format der G20 mit wesentlichen Schwellenstaaten und bedeutenden Ländern Afrikas und Asiens für die Zukunft noch wichtiger wird. Denn die Welt hat sich verändert. Die G7 werden es auch.

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