Kommentar Fremdenhass - Brandgefährlich

Je alltäglicher Rassismus in Deutschland (wieder) wird, desto eher brennen Häuser, sind Menschenleben in Gefahr.

Deshalb machte man es sich zu einfach, wenn man die aktuelle Gewaltwelle gegen Ausländer mit dem Hinweis verharmloste, in den 90er Jahren sei alles noch viel schlimmer gewesen. Ja, damals brannten in Mölln und Solingen nicht nur Häuser, damals kamen Menschen ums Leben. Damals gab es eine Anti-Ausländer-Stimmung, die weiter verbreitet war, als sie es heute ist. Aber immer noch sagen 37 Prozent der Deutschen, in diesem Land lebten zu viele Ausländer. Das sind so viele, wie bei Bundestagswahlen CDU wählen (oder, um nicht in den Verdacht falscher Analogien zu geraten: wie SPD und Grüne Wählerstimmen erhalten). Es fällt schwer, da noch von einer Minderheit zu reden.

Richtig ist aber auch: Es sind mehr Deutsche als diese 37 Prozent, die die Lektion aus der Nazi-Barbarei gelernt haben. Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus sind in der Bundesrepublik politisch chancenlos. Doch die Grenzen sind eben fließend. Hier diejenigen, die sich vor Ausländern ganz allgemein fürchten - meist aus Unkenntnis. Oftmals schon vor jenen, die unser Land, in dem sie sich Schutz vor Verfolgung erhoffen, noch gar nicht erreicht haben. Dann diejenigen, denen Ausländer Angst machen, weil sie um ihren Wohlstand, ihr Auskommen, ihre Sozialleistungen fürchten. Und dort jene, die aus dieser Stimmung heraus zur Gewalt greifen.

Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist auch deshalb ein so erschreckendes Beispiel, weil sich alles gewissermaßen mit Ansage abspielt. Schon seit Jahresanfang veranstaltet die NPD dort jeden Sonntag Aufmärsche gegen ein geplantes Asylbewerberheim. Sie waren von einer solchen Aggressivität, dass der ehrenamtliche Bürgermeister sein Amt aus Sorge um die Unversehrtheit seiner Familie niederlegte, was ihn an diesem Osterwochenende nicht daran hinderte, zum Protest gegen die Brandstifter aufzurufen. Beispielhaft!

Und: Es geht nicht - wie es das Klischee so gerne Glauben machen will - um ein Phänomen Ostdeutschlands. Mölln liegt in Schleswig-Holstein, Solingen in Nordrhein-Westfalen. Im Badischen setzten Unbekannte eine Flüchtlingsunterkunft unter Wasser, in Schleswig-Holstein flogen Benzinkanister in eine geplante Flüchtlingsunterkunft, in Dortmund gibt es seit Monaten eine Dauereinschüchterung der Asylbewerber.

Es ist eine Frage der Reife einer Demokratie, wie sie damit umgeht. Wer ausländerfeindliche Stimmungen hoffähig macht, macht sich mitschuldig. Das gilt für die AfD genauso wie für Teile der Pegida-Bewegung oder der CSU und selbst für jene Behörden, die Flüchtlingszahlen bewusst hochschrauben und damit "die Gefahr" potenzieren.

Dagegen helfen nur entschlossenes politisches, aber auch rechtliches Handeln - und Mut. Es ist schlicht unerträglich, mit ansehen zu müssen wie die geistigen Brandstifter der NPD sich hinter dem Parteienprivileg verschanzen können. Diese Partei gehört endlich verboten. Und es müsste noch viel mehr Menschen geben (als es glücklicherweise schon gibt), die nicht wegsehen, sondern ausländerfreundlich handeln.

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