Kommentare Eurokrise und Schuldenunion - Eine Alternative

Das Unwort des Jahres 2010 war "alternativlos". Eine unabhängige Jury hatte sich Anfang 2011 dafür entschieden, weil es den politischen Diskurs in der Eurokrise zu ersticken drohte. Niemand Geringeres als die Bundeskanzlerin hatte das Wort damals zur Begründung der Griechenlandhilfe gebraucht.

Seitdem ist noch die Wortneuschöpfung "Sofortismus" hinzugekommen. Sie beschreibt den Umstand, dass es scheinbar (nicht anscheinend!) an der notwendigen Zeit fehlt, um über eine alternative Krisenlösung vor jeder Debatte auch nur nachzudenken. Wie gut, dass die SPD in Gestalt ihrer Kanzlerkandidaten-Kandidaten im Sommer 2012 endlich aus diesem politischen Gefängnis ausgebrochen ist und sich und uns Gelegenheit gibt, einmal in Ruhe über eine echte Alternative zur Merkelschen Krisenpolitik nachzudenken: die sogenannte Schuldenunion.

Freilich gehen die Sozialdemokraten, namentlich Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück, mit ihrem Vorschlag einer gemeinsamen Schuldenhaftung für Europa kein geringes Risiko ein. Nichts ist wohl unpopulärer als die Vorstellung, die Deutschen müssten für die verfehlte Finanzpolitik der Südeuropäer mit ihrem sauer verdienten Geld gerade stehen.

Man benötigt keine Sprachexperten-Jury, um zu ermitteln, dass das Wort "Schuldenunion" an jedem Stammtisch leicht zum schlimmsten Unwort aller Zeiten avancieren könnte. Immerhin hat die SPD nun aber erkannt, dass ihre wiederholte unprofilierte Zustimmung im Bundestag zum Vorgehen der Regierung Merkel allein weder Europa noch sie selbst aus dem Sumpf ziehen wird.

Wer eine Chance bei der Bundestagswahl 2013 haben will, der muss andere Möglichkeiten aufzeigen zu einer Politik, die sich immer nur von Woche zu Woche rettet und letztlich nichts erreicht: Die Rettungsschirme werden größer und größer, ohne dass der Zinsdruck für Spanien oder Italien geringer würde; die deutschen Haftungsrisiken wachsen dabei beständig und unkontrolliert an; das faktische Gelddrucken durch die Europäische Zentralbank nährt zugleich die Angst vor einer erheblichen Inflation in naher Zukunft.

Wollte man das bereits als Schuldenunion bezeichnen, läge man wohl nicht ganz falsch - mit dem Unterschied zu einer gewissermaßen offiziellen Gemeinschaftshaftung allerdings, dass der Verlust unseres hart erarbeiteten Wohlstands hier programmiert ist.

Denn machen wir so weiter wie bisher, dann werden die Märkte die endlichen Rettungsschirme zusammenklappen lassen, weil sie wissen, dass ein großes Land wie Italien so nicht "trocken" zu halten ist. Der Euro würde zerstört; Europa als Ziel deutscher Exporte fiele aus; eine tiefe Rezession mit schmerzhaften Jobverlusten wäre die Folge.

Jetzt umfassend für die Schulden anderer einzustehen, wäre kein Geschenk, nicht die Tat gutmenschelnder Altruisten, sondern womöglich das beste Rezept, um so viel Wohlstand wie möglich zu retten. Der Schlüssel zur Lösung der Krise liegt in Berlin. Es ist Zeit, über eine gemeinsame europäische Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Schuldenpolitik unter deutscher Führung nachzudenken inklusive der dazu notwendigen Volksabstimmung zur Änderung des Grundgesetzes.

Es gibt sie, die Alternative.

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