Kommentar EU und der Kanzleramtsgipfel - Keine leichte Aufgabe

Das war natürlich ein Traumtag für die Oppositionsparteien: Die Bundeskanzlerin lädt zum Allparteien-Gipfel. Regierungsgegner und Koalition begegneten sich auf Augenhöhe. SPD, Grüne und auch Links-Partei hatten es in der Hand, dem Fiskal-Pakt den Garaus zu machen und damit ein europäisches Lieblingsprojekt Angela Merkels zu beerdigen. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat haben sich dramatisch zu Ungunsten von Schwarz-Gelb verändert. Auch wenn sich so etwas wie eine gesamtstaatliche Verantwortung zumindest in europapolitischen Fragen herausschält: die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit ist eine Hürde.

Freilich: Der Spielraum für Rücksichtslosigkeit ist gering. Denn der Zustand der Oppositionsparteien ist nicht eben berauschend. Das merkt man schon in Personalfragen: Man muss gar nicht so tief sinken wie die Linken, die sich schon mit ihrem kindischen Personalstreit aus dem Kreis ernstzunehmender Kräfte herauskatapultiert hat.

Politisch professioneller, aber kaum weniger verbrämt, wird der Spitzenkandidaten-Streit bei den Grünen ausgefochten. Auf dem Programm: eine Allein-Kandidatur Jürgen Trittins oder ein Spitzenkandidaten-Duo, das die Ambitionen der ehrgeizigen Vorsitzenden Claudia Roth mit einbezieht. Das Ganze soll - schließlich braucht man ja einen basisdemokratischen Ausweis - per Urwahl unter den Parteimitgliedern erfolgen: Wahlkampf und innerparteilichen Zank inklusive.

Auch hinter der harmonie-glänzenden Fassade der SPD-Troika Gabriel/Steinbrück/Steinmeier gibt es Risse. Den offenen Aufstand probten zu Wochenbeginn die sozialdemokratischen Frauen der AsF. Sie attackierten den Parteivorsitzenden, weil Gabriel die Organisationsabläufe auch bei der sozialdemokratischen Frauenorganisation kritisiert hatte. Die ließ ihn voll auflaufen und stellte seine Befähigung als Kanzlerkandidat in Frage. Peer Steinbrücks Akzeptanz ist in der eigenen Partei nicht eben ausgeprägt. Bleibt der frühere Außenminister, dessen Unterhaltungs- und damit Mobilisierungswert eher gering ist.

Es gibt also Schwierigkeiten auch in der Opposition. Sie kann Regierungshandeln in der Regel nur kritisch begleiten. Das heißt nicht, dass man die Koalition nicht in die Enge treiben kann: Das Pochen auf einen Wachstumspakt soll die Kanzlerin zwingen, von der rigiden Sparpolitik Abschied zu nehmen. Sie musste gestern ihre Politik korrigieren. Mit nachgerade diebischer Freude verlangt Rot-Grün eine Börsen-Transaktionssteuer - ein knallrotes Tuch für den liberalen Koalitionspartner in Berlin. SPD wie Bündnis-Grüne sitzen zumindest politisch schon seit längerem am Berliner Kabinettstisch. Das engt den Spielraum der Kanzlerin massiv ein. Aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit einer politischen Elefanten-Hochzeit nach 2013.

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