Kommentar zum Syrien-Konflikt Eskalation mit Ansage

Meinung | Aleppo · Die Eskalation im Syrien-Krieg war absehbar. Nun wurden Dutzende türkische Soldaten in der nordsyrischen Region Idlib bei einem Luftangriff getötet. Jetzt muss die EU neu beraten. Und zwar schnell, kommentiert unsere Autorin.

   Ein türkischer Militär-Konvoi fährt im syrischen Idlib eine Straße entlang.

Ein türkischer Militär-Konvoi fährt im syrischen Idlib eine Straße entlang.

Foto: dpa/Uncredited

Diese Eskalation war absehbar. Sie hält das Versagen der Vereinten Nationen, der EU, der Nato – und natürlich Russlands – im Syrien-Konflikt noch einmal vor Augen.

Die Türkei marschierte im Oktober in Nordsyrien ein, um eine Pufferzone im Grenzgebiet zu schaffen und von dort die Kurdenmiliz YPG zu vertreiben, in der sie einen Ableger der kurdischen Terrororganisation PKK sieht. Allerdings war die YPG bis dahin Verbündete der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Kurden riskierten damit auch für den Westen ihr Leben. Doch auf Geheiß von US-Präsident Donald Trump machten die US-Truppen allen Ernstes den Weg für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan frei. Die Kurden fühlten sich verraten. Der UN-Sicherheitsrat blieb tatenlos, die Nato überließ die brisante Angelegenheit mutlos Washington und Ankara und die EU verurteilte die türkische Invasion wirkungslos.

Nun wurden Dutzende türkische Soldaten in der nordsyrischen Region Idlib bei einem Luftangriff getötet. Offensichtlich ist Russland daran beteiligt. Und jetzt ruft die zündelnde Türkei nach Beistand der Nato. Die sichert Solidarität im bisherigen Umfang zu, etwa bei der Luftraumüberwachung, stellt aber keine zusätzliche Hilfe in Aussicht. Und dennoch ist der Punkt erreicht, an dem die Nato durch ihr Mitglied Türkei in den Konflikt mit Russland und Syrien hineingezogen werden könnte.

Europa dürfte sich jetzt bewegen. Allerdings nicht, weil weiterhin täglich Zivilisten Opfer schlimmster Kriegsverbrechen werden, sondern weil die Türkei droht, das Abkommen mit der EU auszusetzen und Flüchtlinge aus Syrien nach Europa weiterziehen zu lassen. Fast eine Million Syrer sind seit Dezember auf der Flucht. Dafür ist teilweise auch Erdogans Vorgehen in Nordsyrien verantwortlich, aber trotzdem darf nicht übersehen werden, dass sein Land bereits deutlich mehr als drei Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat. Die EU zahlt dafür Milliarden von Euro, aber Geld allein ist nicht die Lösung. Europa muss jetzt schnell neu beraten.

Syrien ist zum Synonym von Krieg und Stellvertreterkriegen geworden. Das Land braucht einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Es gibt eine Organisation, deren Name Hilfe verspricht und dieses Versprechen nicht hält: Die Vereinten Nationen. Da sitzen sie alle beisammen, nur leider nicht vereint, und machen ihrem Namen keine Ehre. Welch ein Abgrund.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Lage ist ernst
Kommentar zur islamistischen Bedrohung Die Lage ist ernst
Zum Thema
Aus dem Ressort
Wolfgang Mulke, Berlin,
zur Entschädigung für
Ein Fortschritt
Kommentar zur Entschädigung für VW-KundenEin Fortschritt