Kommentar zu den VW-Vergleichsverhandlungen Ein großer Fortschritt

Meinung · Bekommen Dieselfahrer von VW Schadenersatz wegen des Wertverlusts ihrer Autos? Im Musterprozess zeichnete sich lange keine Annäherung ab. Doch jetzt kommt Bewegung in den Streit. Die Sammelklage ist dabei ein großer Fortschritt, kommentiert GA-Korrespondent Wolfgang Mulke.

   Ein großes VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen Werk.

Ein großes VW-Logo steht auf dem Verwaltungshochhaus vom Volkswagen Werk.

Foto: dpa/Sina Schuldt

Für die durch den Diesel-Skandal geprellten VW-Kunden beginnt das Jahr hoffnungsvoll. Die nun angekündigten Vergleichsverhandlungen zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und dem Konzern deuten auf eine neue Lage hin. Bisher hat sich VW auf die Position zurückgezogen, dass den Kunden in Deutschland gar kein Schaden entstanden ist und damit Ausgleichsansprüche jeder Grundlage entbehren. Anscheinend sorgt der Ausgang der bisherigen Klageverfahren für eine andere Einschätzung des Risikos, vor Gericht den Kürzeren zu ziehen.

Den Sekt sollten die VW-Kunden noch im Kühlschrank lassen. Es ist längst nicht ausgemacht, dass am Ende der Verhandlungen ein Vergleich steht, der ihnen eine wie auch immer geartete Entschädigung sichert. Auch dürfte es bei einer Einigung manch enttäuschtes Gesicht geben, weil die Zahlung unterhalb der Erwartungen liegen wird. Das wäre der Preis, der im Gegenzug eine lange gerichtliche Auseinandersetzung vermeidet.

Allein die Ankündigung von Vergleichsanstrengungen hat eine weit über den Fall VW hinausgehende Bedeutung. Es ist die erste Musterfeststellungsklage, mit der eine Verbraucherorganisation für Tausende Kunden Ansprüche durchsetzen könnte. Unabhängig vom endgültigen Ergebnis erweist sich das Instrument zum Schutz der Verbraucher als tauglich. Das Risiko für Unternehmen, für eine Verfehlung teuer bezahlen zu müssen, ist mit dem Massenklagerecht gestiegen. Allein dies sollte zu mehr Ehrlichkeit führen.

Klar ist: Ohne Sammelklage lassen sich Massenschäden von Verbrauchern kaum bewältigen, vor allem bei relativ kleinen Streitsummen. Die Frage, wie dieses Recht am besten angewendet wird, muss spätestens am Ende der Klage der Verbraucherzentralen gegen VW beantwortet werden. Denn Schwächen der Musterfeststellungsklage sind erkennbar. Es dauert zu lange, bis klar ist, wie viele Verbraucher berechtigt sind, sich registrieren zu lassen. Ohne diese Kenntnis können Unternehmen keine Abwägung treffen, ob sich ein Vergleich für sie lohnt.

Eine Schwäche ist auch, dass – sofern es keinen anerkannten Vergleich gibt – jeder Mitkläger seine Ansprüche nach einem gewonnenen Prozess gesondert feststellen lassen muss. Allein die Anzahl der klagenden VW-Kunden lässt den dafür notwendigen Aufwand für alle Beteiligten erahnen. Für Verbesserungen bleibt also Luft nach oben. Grundsätzlich ist die Sammelklage ein großer Fortschritt.

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