Kommentar zum Weltklima Egoisten-Konsens

Mit den vielen Trippelschritten sollte in Bonn Schluss sein. Endlich. Gefragt waren große Sprünge über große Hürden, um den Staatschefs der Welt in Paris auf der 21. UN-Weltklima-Konferenz den Weg zu ebnen für das erste verbindliche Klimaschutz-Abkommen, das alle Länder unterzeichnen.

Doch die Arbeitskonferenz hat ihr großes Ziel dem Vernehmen nach nicht erreicht. Es wurden offenbar Zugeständnisse verlangt, für die die Vollmachten einzelner Gesandter nicht ausreichten: "Da muss ich erst den Chef fragen."

Dass eine UN-Arbeitskonferenz überhaupt so viel weltweite Aufmerksamkeit erlangt, ist der Entwicklung auf dem Zeitpfeil geschuldet. Nach fast jedem Klimagipfel stand die Weltgemeinschaft der Politiker und Diplomaten mit mehr oder weniger leeren Händen da, bisher exakt 20 Mal. Es reichte stets nur für beschönigende Resümee-Sätze wie "Ein Schritt in die richtige Richtung", aber nichts, was die Erdatmosphäre spürbar entlastete. So hat sich die Gasmülldeponie immer weiter gefüllt. Von Jahr zu Jahr stürmt die Menschheit zu immer neuen Treibhausgas-Rekorden. Es gibt auch Fortschritte zwischen Erneuerbaren Energien und Klimaschutz-Bewusstsein, aber die Messungen sind ernüchternd und funken immer greller SOS.

So kompliziert und fast aussichtslos es ist, mit 195 Egoisten ein Konsenspapier auszuhandeln: In dem verhandlungstaktischen Kosmos kann mit viel Energie und noch mehr Geduld nur ein Minimalkonsens erreicht werden. Schon das ist ein politischer Erfolg.

Aber daneben existiert noch eine reale Welt. In der häufen sich extreme Wetter und Schäden. Da der Klimawandel rascher fortschreitet als von Forschern, einst als Untergangspropheten kritisiert, vermutet, schließt sich das Zeitfenster, in dem die Menschheit noch ihr Zwei-Grad-Ziel erreichen kann. Für Wissenschaftler steht die Uhr dazu bei "fünf nach zwölf", für Politiker bei "fünf vor zwölf". Je später der Ausstieg aus Kohle und Öl beginnt, desto unrealistischer müsste der fossile Entzug ausfallen.

Das Zwei-Grad-Ziel ist ohnehin nur eine politische Zahl. Sie soll anspornen, besser etwas zu tun als gar nichts. Insofern hat jede Klimadiplomatie ihre Berechtigung, die eine weniger warme Zukunft bewirkt. Jedoch suggeriert die Zwei-Grad-Vorstellung, als könnte so eine etwas erwärmte, aber weiter erträgliche Welt bewahrt werden. Bisher sind "nur" 0,8 der 2,0 Grad realisiert, aber die immer heftigeren Fluten und Stürme verschlagen uns schon heute die Sprache.

Ob "gefährlicher Klimawandel", wie er eigentlich verhindert werden soll, bei 1,8 oder 2,4 Grad einsetzt, weiß indes niemand. Um so mehr erstaunt es, dass die Welt die Bonner Konferenz recht gelassen und mit einem 2,7-Grad-Ergebnis verlässt. Das spiegelt maximales Risiko und unterbelichtetes Vorsorgebewusstsein zugleich.

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