Kommentar Die USA und der Nahe Osten - Wenn Obama kommt

Vor wenigen Monaten hatten Barack Obama und Benjamin Netanjahu insgeheim einen gemeinsamen Wunsch: dass ihnen die Wähler im jeweils anderen Land ein beruflich veranlasstes Wiedersehen ersparen mögen.

Israels Premierminister und Amerikas Präsident können einander nach diversen vor allem für Obama unerquicklichen Begegnungen so gern leiden wie Magenschmerzen. Demokratische Willensbildung hat nun bewerkstelligt, dass sich beide noch eine Weile miteinander arrangieren müssen. Wie sich das anlässt?

Nun, solange Netanjahu wie Obama im Laufe dieser Woche während der ersten offiziellen Visite des US-Präsidenten in Israel einen schlichten Rat beherzigen (Druck ausüben - ja, einander in die Enge treiben - besser nicht) vermutlich ganz erbaulich. Der Papierform nach könnten die Aussichten für einen Neustart der Kaputtnik-Beziehung nicht günstiger sein. Israels Regierung ist nagelneu und noch in der Findungsphase. Obama startet mit einem erfahrenen neuen Außenminister in seine zweite Amtsperiode und hat aus seinen Fehlern von 2009 gelernt, als er sein Gegenüber ebenso ultimativ wie ergebnislos dazu aufrief, die Bautrupps aus den besetzten Gebieten einschließlich Ost-Jerusalems abzuziehen und so den Weg für den verschütteten Friedensprozess mit den Palästinensern zu ebnen. Diesmal stehen keine Maximalforderungen im Raum.

Seine Visite, obwohl bis zum Rand mit Symbolik aufgeladen, gleicht eher der gründlichen Instandhaltungsinspektion. Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass Obama nicht in Netanjahus Dickkopf eindringen kann mit der Botschaft, dass nur ein Nebeneinander von Israelis und Palästinensern in staatlicher Souveränität Frieden verheißt, hat der Präsident Vorsorge getroffen: Er redet über den Gastgeber hinweg und richtet wie 2009 in Kairo seine wichtigste Ansprache unter Umgehung des Parlaments direkt an das junge, aufstrebende Israel.

Auch dabei wird der Beistandspakt, den Obama im Dauerstreit um die iranischen Atom-Ambitionen erneuert und so Netanjahus Drängen auf einen schnellen Militärschlag gegen Teherans Atomanlagen zu neutralisieren versucht, eine zentrale Rolle spielen. Mit seiner Aussage, dass Teheran frühestens im Frühjahr 2014 technisch in der Lage sein könnte, die Bombe zu bauen, was Amerika definitiv mit allen Mittel verhindern werde, kommt der amerikanische Präsident den von Israel geforderten "roten Linien" so nah wie nie zuvor. Will Netanjahu nicht im eigenen Land wie vor der Weltöffentlichkeit als der Mr. Njet des Nahen Ostens in Erinnerung bleiben, gibt er sich einstweilen damit zufrieden. Und hilft Obama bei dem Versuch, nicht als Präsident in die Geschichte einzugehen, unter dem die Zwei-Staaten-Lösung auch das letzte Haltbarkeitsdatum überschritten hat.

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