Kommentar Die Netzentgelte - Unter Strom

Deutschlands Vertreter geben sich in Brüssel gerne als Hüter des freien Wettbewerbs und Ordnungspolitiker erster Güte. Wenn also beispielsweise Frankreich seine Elektroautos mit staatlichen Subventionen fördert oder die spanische Regierung den Einstieg hiesiger Konzerne abzuwehren versucht, dann können die Damen und Herren, die die Bundesregierung am EU-Sitz vertreten, schon mal richtig ungemütlich werden.

Kein Wunder, dass sowohl die Wettbewerbshüter der EU wie auch unsere Nachbarn nur auf eine Gelegenheit warten, um Sündenfälle der Bundesrepublik zu entlarven. Ob ihnen das gelingt, steht noch nicht fest. Aber dass die Befreiung der energieintensiven Betriebe von den Netzentgelten jede Menge Sprengstoff birgt, weiß man in der europäischen Verwaltung sehr wohl.

Brüssel wird sich sehr genau ansehen, ob wirklich nur Chemie-Riesen und Stahl-Konzerne oder tatsächlich auch Golfanlagen, Freizeitparks und sogar Kirchengemeinden unter den Antragstellern sind, die von den Netzkosten befreit wurden - oder werden wollen. Ohne der Prüfung durch die Brüsseler Kommission vorgreifen zu wollen: Dass die gut gemeinte Umlage der Netzentgelte aus dem Ruder läuft, wird niemand bestreiten können.

Aber darum geht es bei der jetzt anlaufenden Prüfung nicht. Für die Frage, ob diese Umlage eine verbotene staatliche Beihilfe mit Auswirkungen auf den freien Wettbewerb darstellt, bleibt es unerheblich, ob es moralisch richtig und gesellschaftlich akzeptabel ist, wenn Familien mit Kindern die Stromkosten von Großunternehmen zahlen. Oder ob man einem kleinen Bäcker die Lasten aufbürdet, damit ein Großbäcker billiger produzieren kann.

Über diese von vielen Bürgern bisher nur gefühlte Ungerechtigkeit hat allerdings am Mittwoch eine andere Instanz ihr Urteil gefällt: Das Düsseldorfer Oberlandesgericht wertet sie als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das kommt einer schallenden Ohrfeige für die politischen Architekten der Energiewende in Deutschland gleich. Auch wenn der Düsseldorfer Beschluss noch nicht rechtskräftig ist.

Europäisches Recht bricht, wer seiner Wirtschaft einen Vorteil gegenüber der Industrie aus anderen EU-Staaten verschafft. Entscheidend ist die Tatsache, dass die Konzerne im Vergleich mit ihren Wettbewerbern günstiger produzieren können.

Vor diesem Hintergrund wird auch Brüssel den deutschen Sonderweg kaum gutheißen können und auch nicht wollen. Zumal ausländische Betriebe, die von den gleichen Versorgern mit Strom aus deutschen Kraftwerken beliefert werden, nicht in den Vorteil einer Befreiung kommen können. In Brüssel sind nicht viele davon überzeugt, dass Deutschland ungeschoren aus der Sache herauskommt.

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