Kommentar Die Grünen im Stimmungstief - Grünfutter

Manchmal hat man den Eindruck, die Grünen legten es bewusst darauf an, zum dritten Mal hintereinander in der Opposition zu landen. Wer immer sich nun die Augen reibt und sich fragt, warum die Grünen in so kurzer Zeit von einer Fast-Volkspartei auf das frühere Zehn-Prozent-Maß zurückgeschrumpft sind, dem sei gesagt: Das Stimmungstief ist hausgemacht.

Wozu etwa sollte die unsägliche Sommerloch-Debatte um einen fleischlosen Tag pro Woche in deutschen Kantinen dienen? Mit ihrer kruden Idee vom "Veggie Day" befeuerten die Grünen das alte Klischee von den gutmenschelnden Spaßverderbern, die das Volk in ihrem Sinne umerziehen wollen. Das traf zwar den Nerv der Stammklientel, die - Achtung, nächstes Klischee! - gerne mit dem Porsche Cayenne zum Bioladen fährt und sich über die im Wortsinne armen Ignoranten aufregt, die alditütenweise Billigfleisch nach Hause schleppen. Zustimmungsquoten jenseits der 25 Prozent sind so jedoch nicht zu erzielen.

Aber damit nicht genug. Auch die gutbürgerlichen Stammwähler sollten ihr Fett wegbekommen, indem sie flugs zu "Spitzenverdienern" erklärt wurden, die bitteschön mehr Steuern zu zahlen hätten. Da blieb den Bioladen-Besuchern (siehe oben) das teure Tofu im Halse stecken.

Themen, mit denen die Grünen hätten punkten können, gab es genug. Das ist ja ohnehin das Ärgerliche an diesem Valium-Wahlkampf: dass die wirklich wichtigen, zentralen Zukunftsfragen des Landes kaum eine Rolle spielen. Betrachten wir uns allein das Thema Energiewende. Die Bundesregierung hat hier bislang auf der ganzen Linie versagt. Dabei geht es um nichts weniger als die gesicherte Energieversorgung der Industrienation Deutschland. Es geht um bezahlbare Strompreise und um exportierbare Ökotechnologien. Grünere Themen sind kaum vorstellbar.

Oder Europa. Während die Südländer der EU weiter abstürzen, machen die Banken wieder, was sie wollen. Interessiert sich eigentlich noch jemand vor dem Hintergrund der alles einschläfernden Deutschland-geht-es-ja-gut-Melodie für die keinesfalls überwundene Euro- und Finanzkrise? Oder für einen Plan, ein Konzept, eine Idee, wie Europa überhaupt in Zukunft funktionieren soll, um solche und andere Katastrophen zu vermeiden? Stattdessen werden politische Fußnoten zu angeblich existenziellen Fragen aufgepumpt, die die Republik im Kern erschüttern: der Veggie Day der Grünen ist ein Beispiel, die CSU-Maut ein anderes. Alles Firlefanz!

Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot: Die Grünen dürften keine Chance haben, am 22. September nach den Fleischtöpfen der Macht zu greifen. Bald ist für sie wieder jeder Tag ein Veggie-Day. Ihr inzwischen grau-grünes Spitzenpersonal wird das nicht überleben.

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