Kommentar Die große Koalition und der Mindestlohn - Ausnahmen inklusive

Was fest steht: Der Mindestlohn, gesetzlich und flächendeckend, kommt. So haben es CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag für vier Jahre gemeinsames Regieren vereinbart. Ab dem 1. Januar 2015 soll in Deutschland niemand weniger als 8,50 Euro brutto pro Zeitstunde verdienen. Ausnahmen von dieser Vereinbarung, die nun als Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung geht und worüber der Bundestag noch beraten muss, wird es geben. Aber wenige. Überschaubar.

Auch wenn nach der üblichen Sprachregelung das jüngste Sechs-Augen-Treffen der drei Parteichefs ruhig und lösungsorientiert verlaufen sein soll, so haben Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel ihre Vorstellung der Lösung doch sehr unter sich ausgemacht. Große Koalition ist bislang eine Angelegenheit von vor allem drei Personen.

Es fällt auf, dass es in der großen Koalition reichlich Spaltpotenzial geben muss, wenn in bald 100 Tagen schwarz-roter Bundesregierung nicht ein einziges Mal der (größere) Koalitionsausschuss getagt hat, jenes Gremium, das eigentlich dazu gedacht ist, Probleme abzuräumen. Wovor haben Merkel, Seehofer und Gabriel Angst?

Über den Mindestlohn - gesetzlich oder tariforientiert, flächendeckend oder branchenabhängig - haben CDU und CSU mit der SPD jahrelang gestritten. Jetzt sitzen sie in einem Boot. Und der Mindestlohn ist gerade für die SPD ein zentrales Thema ihrer Regierungsbeteiligung. Niemand über 18 Jahre wird in Zukunft mit weniger als 8,50 Euro in der Stunde entlohnt. So wollte es die SPD.

Die Union wiederum wollte kein Gesetz, das Arbeitsplätze gefährdet oder gar vernichtet. CDU und CSU hätten gerne weiter gehende Ausnahmen durchgesetzt. Doch großkoalitionär soll jetzt geregelt werden: Ehrenämter, Praktika und Langzeitarbeitslose sollen vom Mindestlohn ausgenommen bleiben. Das entspricht der Lebenswirklichkeit. Gerade Langzeitarbeitslose, die über Jahre nicht mehr geregelt gearbeitet haben, brauchen Zeit, bis sie wieder normales Arbeitstempo erreichen.

Was folgt: Die Landkarte des Mindestlohns in Deutschland wird einige weiße Flecken haben. Grundsätzlich ist es Konsens und auch notwendig, Geschäftsmodelle zu überwinden, die darauf ausgerichtet sind, dass der Staat die Löhne aufstockt, damit Vollerwerbstätige davon leben können. Dumpinglöhne können auch die Rente auf Armutsniveau drücken. Das hat Folgen für die gesamte Gesellschaft. Doch es wird auch in Zukunft Branchen und Jobs geben, bei denen der Mindestlohn eben vielleicht diesen einen Euro oder 1,50 Euro zu hoch ist. Den Rest regelt der Markt.

Morgen übrigens debattiert der Bundestag über den Mindestlohn - auf Antrag der Linken. Gesetzlich und flächendeckend. Das ist erreicht. Aber die Linke will nun zehn Euro. Kontraproduktiv ist dabei mindestens der Zeitpunkt.

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