Kommentar Die Finanz- und Euro-Krise - Jetzt wird's ernst

Helmut Kohl ist gewiss kein Intellektueller, aber in seiner Zeit als aktiver Politiker hat er die Fähigkeit bewiesen, die Dinge vom Ende her zu denken. Übertragen auf die Finanz- und Eurokrise heißt das: Es ist ziemlich sicher, dass die Europäer am Ende dieses Jahres erkennen werden, dass die Griechenlandkrise nur ein laues Lüftchen war angesichts der Krise, die sich jetzt schon abzeichnet.

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als den Bestand der Euro-Zone. Und das im Jahr fünf nach Ausbruch der Finanzkrise. Das wiederum heißt: Geregelt ist noch so gut wie gar nichts, das Wesentliche jedenfalls nicht.

Das Schlimme daran ist: Dieses Wesentliche, die wesentlichen Gründe für die Krisen, sind seit Jahren bekannt, aber es will nicht gelingen, die Ursachen zu beseitigen. Es gibt erstens immer noch viel zu viel Verschuldung, nicht nur in Europa. Es gibt zweitens immer noch zu laxe Regeln für die Finanzbranche, und es fehlt drittens der politische Wille, die Ursachen des Auseinanderdriftens in der Eurozone zu bekämpfen.

Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, hat das jetzt in einem bemerkenswerten Interview festgestellt, in dem er auch die Deutschen tadelt, weshalb die CSU prompt ihn tadelt.

19 Krisengipfel hat es seit Ausbruch der Krise gegeben, die Politik, deren Fehlverhalten die Krisen ausgelöst hat, hechelt jetzt tatsächlich den Märkten hinterher. Juncker spricht von einem "sofortigen Sofortismus", der die Politik in Atem halte. Einer der Gründe für diese Atemlosigkeit ist das fehlende Vertrauen der Märkte in die Politik.

Einer der Gründe dafür ist, dass zu viele Staaten aus innenpolitischen Gründen Dinge tun (oder sagen), die verheerend wirken müssen. Etwa wenn der FDP-Chef dem Austritt Griechenlands aus der Eurozone das Wort redet oder das ifo-Institut gar argumentiert, das käme Deutschland billiger. Wie kurzsichtig muss man sein, um so etwas zu behaupten? Wolfgang Schäuble hat deshalb völlig Recht, wenn er den Professoren vorhält, Milchmädchen dürften Milchmädchenrechnungen anstellen...

Spanien, hilfsbedürftiger als Griechenland, weigert sich unter den Rettungsschirm zu kriechen, weil es die Sparauflagen fürchtet. Athen steht unter dem Druck seiner Bevölkerung, die Auflagen wenigstens strecken zu dürfen. Allüberall kommen wirtschafts- und finanzpolitische Notwendigkeiten nicht in Einklang mit den innenpolitischen Realitäten.

Deshalb beschwören Merkel und Co. den Fortbestand des Euro, um so die Märkte zu beruhigen, um so zu vermeiden, ein neues Hilfspaket etwa für Griechenland durchs Parlament bringen zu müssen. Deshalb ist die Kanzlerin sogar bereit, die Unabhängigkeit der EZB zu riskieren und Schuldenaufkäufe zuzulassen. In der Not, sagt das Sprichwort, frisst der Teufel Fliegen. Die Euro-Not ist groß, sehr groß.

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