Kommentar Deutschland/Israel - Sanfter Druck

Viel Schweigen verdirbt die Freundschaft, heißt ein Sprichwort. Heute reist Angela Merkel mit ihrem gesamten Kabinett nach Israel, und man darf sicher sein, dass sie dort nicht schweigen wird.

Die Bundeskanzlerin wird von dem besonderen deutsch-israelischen Verhältnis sprechen, wird das Sicherheitsversprechen für den jüdischen Staat bekräftigen und auf die engen Verbindungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur hinweisen.

Die Absicht, israelischen Bürgern konsularische Hilfe in Ländern zu gewähren, in denen Israel nicht vertreten ist, gehört dazu. Aber Merkel wird auch sagen, dass man sich einig sei, uneinig zu sein: In der Haltung zum Siedlungsbau in den besetzten Gebieten - im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und auf dem Golan.

Die deutsche Bundeskanzlerin trifft in einer wichtigen Phase der von US-Außenminister John Kerry vermittelten Nahost-Friedensverhandlungen in Jerusalem ein. In diesen Wochen entscheidet sich, ob Kerry seine Vermittlungsbemühungen fortsetzen wird oder ob er sie für gescheitert erklären muss, weil Israelis oder Palästinenser seine Mission für aussichtslos halten. Scheitern die Verhandlungen, hat Kerry die Israelis darauf hingewiesen, dass die Boykottbewegung im Ausland stärker werden könnte.

In der israelischen Regierung ist das als Drohung des US-Außenministers verstanden worden, die empört zurückgewiesen wurde. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fühlte sich an die anti-semitischen Hetzkampagnen der Nazis und deren Slogan: "Kauft nicht bei Juden!" erinnert.

Und natürlich bewegt sich das Thema Boykott auf einem schmalen Grat. Es gibt Befürworter eines Boykotts, der von palästinensischen Aktivisten ausgeht und der den gesamten Staat Israel treffen soll. Unter den Anhängern finden sich auch richtige Israel-Gegner, die dem Land die Existenzberechtigung absprechen.

Merkel hatte in ihrer historischen Rede in der Knesset, dem israelischen Parlament, 2008 gesagt, Deutschland werde Israel immer "treuer Partner und Freund" sein. Von den strittigen Siedlungen hatte sie damals nicht gesprochen.

Wenn sie Netanjahu am Montagabend trifft, wird sie allerdings in bester freundschaftlicher Absicht erklären, dass die Bundesrepublik gemäß internationalem Recht die Siedlungen als illegal betrachtet und dass der fortgesetzte Bau neuer Wohnungen für jüdische Israelis im Westjordanland schon deshalb nicht friedensfördernd sein kann, weil er einen lebensfähigen palästinensischen Staat verhindert.

So verliert denn die Europäische Union langsam die Geduld mit den israelischen Partnern, besser gesagt: mit dieser israelischen Regierung. Als erstes hatte Brüssel im vergangenen Jahr durchgedrückt, dass europäische Forschungsgelder nicht mehr in die Siedlungen fließen dürfen.

Nun soll eine Regelung folgen, Siedler-Produkte EU-weit zu kennzeichnen, auf denen dann nicht mehr "Made in Israel" stehen darf. So soll der Käufer selbst entscheiden können, ob er die Siedlungen unterstützen will oder nicht. Netanjahu kann nicht von Merkel erwarten, dass sie sich diesem Plan entgegenstellt, zumal es deutsche Handelsketten gibt, die Siedlungsprodukte bereits aus ihrem Sortiment genommen haben.

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