Kommentar Der Streit in der großen Koalition - Im Maschinenraum

Die große Koalition ist gestartet. Und sofort wieder gelandet - auf dem Boden der Tatsachen. Vier Wochen große Koalition heißt auch gleich: vier Wochen großer Streit. CDU, CSU und SPD, die doch als Koalition der großen Aufgaben (und Chancen) angetreten sind, verstehen sich derart prächtig, dass es im Maschinenraum schon kräftig qualmt. Positiv gesprochen könnte man noch deuten: Da raufen sich gerade Drei zusammen. Sie wissen nur noch nicht wie. Es kann dauern.

Union und SPD haben für ihren Regierungsauftrag eine Mehrheit wie selten zuvor. Im Bundestag können sie mit ihren knapp 80 Prozent der Mandate jedes Gesetz zunächst ohne Mühe durchbringen - vorbehaltlich der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat. Dort kommt auch die große Koalition nur auf maximal 27 von 69 Stimmen und hat somit keine eigene Mehrheit. Außerdem: Es lebe das Länderinteresse.

So dreschen die Koalitionäre munter aufeinander ein. An Streitthemen mangelt es ebenso wenig wie an Unterschieden. Die Einigung auf schwierige Kompromisse im Koalitionsvertrag garantiert noch lange keinen Gleichschritt auf dem Weg zu Gesetzen, die (gemeinsame) Vorhaben wie Mindestlohn, abschlagsfreie Rente mit 63, Vorratsdatenspeicherung oder auch eine 32-Stunden-Woche für Eltern verlangen. Deutschlands Zukunft gestalten? Das ist die Überschrift über dem Koalitionsvertrag. Fast wollte man sagen: Dann gestaltet mal schön.

Genau das gelingt CDU, CSU und SPD gerade nicht. Zum Gestalten gehört zwingend Gestaltungswille. Und jemand, der die vielfältigen Willensbekundungen steuert, bündelt und kanalisiert. Im Kanzleramt muss der neue Koordinator der Regierungsgeschäfte, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, erst noch das richtige Gewicht finden, mit dem er die Unwucht im Regierungshandeln ausgleicht.

Die Kabinettsklausur kommende Woche in Meseberg sollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vize-Kanzler Sigmar Gabriel nutzen, um den Streit zu beruhigen, das Durcheinander zu ordnen und zumindest die wichtigsten Gesetzesvorhaben abzustimmen. Union und SPD unterscheiden sich gerade bei den großen Themen der Innenpolitik: Zuwanderung, Innere Sicherheit, Arbeitsmarkt, Sozial- und Gesundheitspolitik. Differenzen werden bleiben. Doch ihr Bündnis auf Zeit ist eben Chance und Auftrag zugleich, endlich auch die großen Reformen anzustoßen.

Merkel, Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer stehen bei den Wählern im Wort. "Gurkentruppe" und "Wildsau" - das war das Vokabular von Schwarz-Gelb. Schwarz-Rot sollte es anders, besser machen. Auch in Stilfragen. Okay, diese große Koalition hat Zeit zur Einarbeitung verdient. Aber dann muss sie auch liefern. Streit ist nicht der Auftrag. Erst das Land, dann die Partei? Dann kann es ja losgehen.

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