Kommentar Der drohende US-Militärschlag in Syrien - Obamas Dilemma

Im Gegensatz zu Diktaturen benötigen demokratisch verfasste Staaten einen legitimen Grund, um abseits des Verteidigungsfalls militärische Gewalt gegen andere Länder auszuüben. International geächtete Giftgase gegen Zivilisten wären ein solcher Grund.

 Barack Obama gerät in der Syrien-Frage unter Druck: Die "rote Linie" sei vom Assad-Regime jetzt überschritten worden. Foto: Tannen Maury

Barack Obama gerät in der Syrien-Frage unter Druck: Die "rote Linie" sei vom Assad-Regime jetzt überschritten worden. Foto: Tannen Maury

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Im syrischen Bürgerkrieg, der in zwei Jahren unter den Augen der Weltgemeinschaft über 70 000 Tote gefordert und Millionen in die Flucht geschlagen hat, sind diese Chemiewaffen offenbar eingesetzt worden. Zu den Staaten, die so etwas wie Beweise dafür erbracht sehen, gehören seit kurzem auch die USA. Weil der amerikanische Präsident dem Regime von Präsident Baschar al Assad mehrfach bedeutet hat, dass der Einsatz von Giftgas gegen die eigene Bevölkerung dem Überschreiten einer roten Linie gleichkommt und Konsequenzen zeitigen wird, eventuell auch militärische, drängt sich die Frage auf, ob Obama seinen Worten Taten folgen lässt.

Die Frage, wer hat gegen wen welche Mengen Giftgas eingesetzt, wird zweifelsfrei und wasserdicht nicht mal von der Partei beantwortet, die mit Fotos von angeblichen Opfern den entscheidenden Impuls gegeben hat: Israel. Die Regierung Netanjahu verfolgt bei ihrem Drängen auf einen von den USA geführten Militäreinsatz gegen Damaskus ein durchschaubares Kalkül.

[kein Linktext vorhanden]Sie will im Vorfeld eines nahenden Showdowns mit dem nach der Atombombe greifenden Mullah-Regime im Iran testen, ob Obama tatsächlich zu den Waffen greifen würde, wenn es ernst wird. Mit Hilfe der Republikaner im Kongress, die unter dem Vorwand humanitärer Eilbedürftigkeit nach militärischen Aktionen rufen, nimmt Tel Aviv den Mann im Weißen Haus in die Zange.

Dessen Reaktion war programmiert, eines Friedensnobelpreisträgers würdig und ist gemessen an dem Irak-Desaster Ausdruck eines uneingeschränkt zu begrüßenden Lernerfolges: keine Alleingänge, Zeit gewinnen, doppelt und dreifach auf Nummer sicher gehen.

Dahinter steht keine Hasenfüßigkeit. Sondern die zutreffende Beurteilung, dass es sich in Syrien um kein nationalstaatlich eingrenzbares Problem handelt. Was in Syrien geschieht, kann schnell in den politisch instabilen Libanon, das wackelnde Jordanien und den abermals von einem Bürgerkrieg bedrohten Irak überschwappen. Jede militärische Aktion, und wirke sie moralisch noch so vertretbar, muss systematisch vom Ende her gedacht werden.

Obamas Besonnenheit wird aber auf eine harte Probe gestellt, sollten UN-Kontrolleure bald den letzten noch ausstehenden Beweis liefern. Dann hätten jene Recht bekommen, die sagen: Assad testet sich mit der Verabreichung kleinerer Giftgas-Mengen perfide an die Schmerzgrenze Obamas heran. Bleiben spürbare Sanktionen aus, könnte der Despot vor seinem unabwendbaren Untergang grünes Licht für den Großeinsatz geben und Tausende in den Tod reißen.

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