Kommentar Das Wahlprogramm der Grünen - Raus aus der Nische

Okay, der Lagerwahlkampf ist eröffnet: Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb. Auch wenn beide Seiten noch so sehr betonten, sie führten keinen, so sind die Claims doch abgesteckt. Mit Maß und Mitte selbstverständlich, weil die Mitte Wahlen entscheidet und nicht die Nische.

Die Grünen sind mittlerweile 33 Jahre alt. Das ist längst nicht mehr Jugend. Entsprechend ist die Partei auf ihrem Weg aus der außerparlamentarischen Opposition hinein in die Parlamente von Bund und Ländern auch in Regierungsverantwortung gelangt. Dort, wo regiert wird, werden Träume selten Wirklichkeit. Deswegen ist ein Wahlprogramm auch noch kein Regierungsprogramm.

Es soll die eigene Basis versammeln und motivieren. Sollten die Grünen zum dritten Mal nach 1998 und 2002 wieder in die Regierung im Bund gewählt werden, werden sie nur Teile aus ihrem Wahlprogramm umsetzen können. Ein Koalitionsvertrag wird nach völlig anderen Kriterien verhandelt. Er hängt vom möglichen Partner und vom Wahlergebnis ab. Und beides kennen die Grünen nicht, auch wenn sie der SPD den Vorzug vor der Union geben.

Mit Maß und Mitte? Keine Frage, die Grünen rücken etwa mit der Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer wieder ein Stück mehr nach links. Doch sie müssen aufpassen, das bürgerliche Milieu, dem viele Grüne entstammen, nicht aus dem Blick zu verlieren. Sie brauchen diese Stimmen für einen Regierungswechsel. Und sie müssen wissen: Mit ihren Steuerplänen treffen sie einen Kern ihrer Wähler, von denen sie hoffen müssen, dass diese ihren Weg mitgehen.

Die Grünen haben sich mit ihrem Wahlprogramm gewissermaßen kollektiv eine Beruhigungstablette verabreicht. Es offeriert an vielen Stellen ein, zwei oder drei Versprechen mehr, als die Grünen auch in einer Koalition mit der SPD umsetzen können, zum Beispiel den Ausstieg aus der Kohle, das Ende der Vorratsdatenspeicherung oder die Abschaffung von V-Leuten.

Die Grünen haben sich in den zurückliegenden Jahren auch thematisch neu positioniert. Bei ihrem Kernthema Umwelt haben sie ihr großes Ziel Atomausstieg fast erreicht, aber damit zugleich ein zentrales Kampfargument verloren. Längst setzen sie bei Arbeit, Rente, Soziales und Bildung auf grünen Realismus. Ganztagskinderbetreuung, Bürgerversicherung, gesetzlicher Mindestlohn, steuerfinanzierte Grundrente und die Umstellung der Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare sind nächste Ziele.

Nach dem Stand der Dinge werden die Grünen bei der Bundestagswahl zur drittstärksten Kraft im Parteienspektrum wachsen. Das wäre ein Pfund, das Optionen öffnen könnte. Ihr Ziel ist klar: Rot-Grün. Doch mitunter haben sie am Ende ein Ergebnis, das sie nicht wollen. Regierungsbeteiligung Ja, aber nicht mit der SPD.

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