Kommentar zu Terror und Europa Das Versprechen

Diese europäische Familie lässt sich nicht kleinkriegen. Nur vier Tage nach den entsetzlichen Anschlägen in Paris schworen die 28 Freunde am Dienstag einander Beistand, sicherten sich Hilfe und Unterstützung zu.

Der Rückgriff auf eine entsprechende Regelung des Lissabonner Vertrages, der bei seiner Abfassung genau wegen dieser Klausel massiv umstritten war, machte es möglich. Tatsächlich stellten die 27 Partner Frankreichs der Pariser Regierung aber einen Blankoscheck aus.

Bisher ist weder ausreichend deutlich, was Staatspräsident François Hollande eigentlich von seinen Freunden erwartet noch was sie einbringen können. Sein Verteidigungsminister bemühte sich sogar erkennbar, niemanden zu verprellen. Von aktiver militärischer Unterstützung in Syrien oder im Irak bis zur Entlastung der französischen Streitkräfte im übrigen Afrika sei alles willkommen. Das ist kein Aufruf an Europa, zusammen mit Paris in den Krieg zu ziehen. Noch nicht. Denn genau gelesen handelt es bei dem EU-Versprechen um kaum mehr als ein Symbol. Die Gemeinschaft hat bei der Abfassung des Vertrages darauf verzichtet, sich eigene Verteidigungsstrukturen zu geben.

So ist weder klar, wer im Falle der Fälle unter welcher Fahne und unter wessen Kommando wo welche Rolle im Kampf gegen die IS-Terror-Milizen übernehmen könnte. Um es klar zusagen: Europa hat weder eine militärische Struktur noch ein Krisenzentrum, das einen solchen Einsatz lenken könnte. Über das alles verfügt die Nato. Aber die hat Paris nicht angerufen. Zumindest bisher nicht.

Natürlich braucht Paris in der jetzigen Situation neben Mitgefühl auch politische Solidarität. Die hat es bekommen. Aber die französische Regierung weiß, dass sie die Partner nicht allzu offen mit militärischen Erwartungen konfrontieren darf. Dass Deutschland sich an Luftschlange in Syrien aktiv beteiligen wird, erscheint unwahrscheinlich. Andere würden sich auch lieber auch logistische oder medizinische Hilfe beschränken, als Bomber loszuschicken. Ohne solches verständnisvolles Einbeziehen der unterschiedlichen Empfindlichkeiten wäre der erste Treueschwur in der Geschichte dieser Union sicherlich nicht so unaufgeregt ausgefallen.

Dennoch wird die eigentliche Belastungsprobe erst noch kommen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass diese Einigkeit allzu lange hält. Spätestens wenn Paris konkrete Forderungen stellt, wird es zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Nicht nur Deutschland, auch Spanien und sogar Großbritannien dürften sich zurückhalten wollen oder müssen - wegen der Stimmung im eigenen Land und wegen des berechtigten Einwandes, das bewaffnete Interventionen in dieser Region noch nie dauerhafte friedvolle Lösungen gebracht haben. Hollande wird deshalb mehr Freunde brauchen, als die 28, die ihm gestern ihre Gefolgschaft schworen. Ohne ein Bündnis mit den USA und Russland, das gestern bereits militärisch an die Seite Frankreichs rückte, vor allem aber den Nachbarstaaten Syriens und des Irak, gibt es nicht die schlagkräftige Koalition, die Frankreich braucht. Europa steht vor einer Prüfung. Und es ist noch nicht sicher, wie lange der gestern beschworene Zusammenhalt wirklich hält.

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