Kommentar CSU-Klausur - Nach Seehofer

Wenn der König abdankt, wird es unruhig bei Hofe. In der CSU ist das wenig anders. Horst Seehofer führt Freistaat und gefühlte Staatspartei seit gut sechs Jahren mit einem umfassenden Machtanspruch.

Was er sagt, ist Gebot, wenn auch nicht Gesetz. Dass Seehofer dabei häufig als Meister des flexiblen Standpunktes agiert, muss seine Partei aushalten. Was schert ihn seine Idee von gestern, wenn ihm schon heute zur selben Sache etwas Neues einfällt? Wenn es in der Partei grummelt, beschwört der Fußballfreund fix das Mannschaftsspiel. Schon ist die Mannschaft der Star. Horst I. hat gesprochen.

Tatsächlich hat Seehofer das Recht des Erfolges der letzten Landtagswahl auf seiner Seite. Er übernahm die CSU nach einer ihrer schwersten Niederlagen der Nachkriegsgeschichte, dem historischen Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Abgestürzt auf für CSU-Verhältnisse brutal niedrige 43,4 Prozent bei der Landtagswahl 2008. Ein Erdrutsch. Seehofer konsolidierte die verunsicherte Partei und gab der CSU nach einer Legislaturperiode schwarz-gelber Koalition 2013 die absolute Mehrheit zurück. Eine Idylle in Weiß und Blau für CSU-Parteigänger und ihre Anhänger.

Die Wirtschaftsdaten im Freistaat sind glänzend, die Opposition von SPD, Freien Wählern und Grünen kann ihm selbst vereint nicht gefährlich werden, den Länderfinanzausgleich will die Landesregierung neu geregelt sehen, auf dass dem wohlhabenden Bayern noch mehr von den eigenen Steuereinnahmen bleibt. Dafür werden Seehofer und die CSU im Freistaat auf keinen Widerstand stoßen. Nah am Volk, nah am Stammtisch. Wenn sich damit punkten lässt, gibt die CSU wie nach dem jüngsten Terroranschlag von Paris gern den starken Mann und ruft flugs nach der Vorratsdatenspeicherung. Bei den eigenen Wählern kommt das an. In Berlin hätte Koalitionspartner SPD etwas dagegen.

Doch Seehofer kämpft mit sich selbst. Er muss an die Zeit nach seiner Regentschaft denken. Bei der nächsten regulären Landtagswahl 2018 wird er 69 Jahre alt sein. Aber wer soll übernehmen, hat Seehofer doch einige Konkurrenten, Emporkömmlinge oder Statthalter in Berlin kleingeredet. Der Stern des Karl-Theodor zu Guttenberg ("Glühwürmchen") ist längst verglüht, Hans-Peter Friedrich ("Bundesbedenkenminister") agiert seit seinem erzwungenen Rücktritt in der zweiten Reihe, Landesfinanzminister Markus Söder ("Schmutzeleien") hat Seehofer einst einen fragwürdigen Charakter bescheinigt und Landeswirtschaftsministerin Ilse Aigner ist seit ihrer Rückkehr von Berlin nach München blass geblieben.

Wer also? "Ein Dobrindt kann nicht scheitern", hat Seehofer den Bundesverkehrsminister einmal hoch gelobt. Mal sehen, was davon bleibt. Jetzt muss dieser erstmal die Pkw-Maut durchpauken.

Die Machtübergabe fällt Seehofer erkennbar schwer. Erst kündigt er den Rückzug an, dann relativiert er ihn, dann wieder erklärt er ihn pünktlich zur Klausur der CSU-Landesgruppe für 2018 als definitiv - aber zunächst nur als Ministerpräsident. Wer weiß, wann ihm die nächste Volte einfällt? Die Ära des Absolutismus ist eigentlich vorüber. Die CSU sollte dies erkennen, wenn Seehofer übergibt.

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