Kommentar zum Verhalten von Boris Johnson Briten-Blockade bei der Zusammenstellung der EU-Kommission

Meinung · Die europäische Politik ist längst ins Stocken geraten. Da immer noch nicht klar ist, wann Großbritannien nun in der Lage ist, seinen Austritt aus der Union zu organisieren, bremst das Vereinigte Königreich zunehmend die Gemeinschaft aus, kommentiert Gregor Mayntz.

 Muss sich noch gedulden: Ursula von der Leyen.

Muss sich noch gedulden: Ursula von der Leyen.

Foto: dpa/Thierry Roge

Dass die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zwei Mal schriftlich in London um die Entsendung eines Kommissars bitten musste, ehe die Regierung sich zu einer Antwort herabließ, hat entweder mit schlechtem Benehmen oder Ignoranz zu tun. Dabei hatte der Premierminister doch jener Einigung selbst zugestimmt, die seine Pflichten an der Spitze eines Vollmitglieds Großbritannien enthielt. Und er hatte zugleich zugesagt, die EU nicht zu blockieren.

Nun tut er genau das. Denn Europa tritt ohne eine EU-Kommission, die mit einem gültigen Mandat ausgestattet ist, auf der Stelle. Längst sollten die so wichtigen Verhandlungen über die nächste Finanzperiode angelaufen sein. Doch außer ein paar laufenden Entscheidungen kann die Gemeinschaft derzeit nicht agieren. Johnson nimmt das in Kauf, weil er ansonsten zuhause in dem Ruf stehen würde, die Regeln der EU mitzuspielen, anstatt den Abschied zu betreiben. Mit Verlässlichkeit und Fairness gegenüber Partnern hat das wenig zu tun.Und doch ist das wohl so eine Art Vorspiel auf den nächsten Akt des Brexit. Denn sobald das von der Leyen-Team sein Amt übernommen hat, stehen ehrgeizige Programme zu Klimaschutz, Binnenmarkt und Forschung an. Großbritannien, das auch nach einem Ausstieg für eine Übergangsphase zunächst bis Ende 2020 an die Union gebunden bleibt, ohne weiter mitbestimmen zu dürfen, muss alle Beschlüsse übernehmen. Eine Lösung wäre nur durch einen raschen Handelsvertrag möglich. Ein Traumtänzer, wer dies für möglich hält.

Also wird man sich spätestens im Juni wieder über eine Verschiebung des geplanten Fertigstellungstermins auf dann vermutlich Ende 2020 unterhalten müssen. Damit verlängert sich der Übergang, in dem Großbritannien nicht auf eigenen Füßen stehen kann. Kein Wunder, dass Johnsons Machtspielchen mit der EU schon jetzt beginnen. Der Premier will die Union ärgern, wo es nur geht. Sollten die Rechtsexperten von Kommission und Parlament nicht noch eine Ausnahmeregelung in den Verträgen finden, scheint ihm dies zu gelingen. Denn dann müssten Ursula von der Leyen und ihre Mannschaft sogar noch bis ins Jahr 2020 warten, ehe sie endlich an die Arbeit gehen können.

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