Kommentar zum Konflikt um Idlib Brandgefährlich

Meinung · Der türkische Präsident Erdogan hofft auf Unterstützung durch Deutschland und Frankreich im Konflikt um die syrische Region Idlib. Die hastigen Kontakte zeigen, wie brandgefährlich die Lage ist, kommentiert GA-Korrespondent Thomas Seibert.

  V on der Türkei unterstützte Rebellen bringen bei Neirab in der Provinz Idlib ihre Waffen in Stellung.

V on der Türkei unterstützte Rebellen bringen bei Neirab in der Provinz Idlib ihre Waffen in Stellung.

Foto: AP/Ghaith Alsayed

Die Türkei legt sich im Konflikt in der syrischen Provinz Idlib mit der syrischen Regierung und mit Russland an, weil sie sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern will, wenn es um die Zukunft von Syrien geht. Dass die Türkei hier mitreden will, kann man ihr nicht verdenken: Sie hat bereits 3,6 Millionen Syrer aufgenommen, und Hunderttausende weitere Flüchtlinge warten an der Grenze. Doch die Art, wie Ankara diese berechtigten Interessen verfolgt, ist höchst riskant.

Am Freitag rief Präsident Recep Tayyip Erdogan zuerst die Deutschen und Franzosen zur Hilfe, um die syrische Offensive zu stoppen und einen neuen Massenansturm von Schutzsuchenden zu verhindern. Nur wenige Stunden später telefonierte Erdogan mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin – die hastigen Kontakte zeigen, wie brandgefährlich die Lage ist.

Selbst wenn ein Krieg zwischen türkischen Soldaten und syrisch-russischen Verbänden in Idlib verhindert werden kann: Mittel- und langfristig wird die Türkei die Rückeroberung der Provinz durch die syrische Regierungsarmee nicht verhindern können, wenn Putin weiter den syrischen Machthaber Baschar al-Assad unterstützt – wofür derzeit alles spricht. Erdogan will mit dem Militäreinsatz in Idlib möglichst viel für die Türkei herausschlagen, möglicherweise grünes Licht für ein weiteres Vorgehen gegen die syrische Kurdenmiliz YPG in anderen Teilen des Landes.

Doch selbst wenn dieses Kalkül zunächst aufgehen sollte: Irgendwann wird sich Erdogan der Forderung aus Moskau und Damaskus gegenübersehen, die türkischen Truppen auch aus dem syrischen Kurdengebiet zurückzuziehen. Am Ende wird für Erdogan kein Weg an direkten Gesprächen mit seinem Erzfeind Assad vorbeiführen, wenn er die Interessen der Türkei dauerhaft sichern will.

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