Kommentar zum Brexit Big bang

Meinung · Die Briten sind raus. Erstmals verlässt ein Land die Europäische Union. Für Europa kann dieser Austritt kein Gewinn sein. Für Großbritannien erst recht nicht, kommentiert GA-Korrespondent Holger Möhle.

 Sie protestieren noch immer: Eine Anti-Brexit-Aktivistin hält ein Baguette und ein Schild mit der Aufschrift "Brexit Lie: Take Back Control" (Brexit Lüge: Nehmt die Kontrolle zurück) in der Hand.

Sie protestieren noch immer: Eine Anti-Brexit-Aktivistin hält ein Baguette und ein Schild mit der Aufschrift "Brexit Lie: Take Back Control" (Brexit Lüge: Nehmt die Kontrolle zurück) in der Hand.

Foto: dpa/Kirsty Wigglesworth

Diese Party garantiert einen Kater, aber nicht unbedingt eine bessere Zukunft. Die Glocken von Big Ben, der aktuell ohnehin restauriert wird, sollen zum Ausstieg der Briten aus der EU zumindest nicht läuten. Womöglich wird aus dem Brexit noch ein big bang, ein großer Knall. In Deutschland freut sich außer der EU-feindlichen AfD, die das Europaparlament am liebsten ersatzlos abschaffen würde, keine Fraktion des Bundestages über den Austritt der zweitstärksten Volkswirtschaft und des viertgrößten Beitragszahlers aus der EU. Doch Großbritannien bleibt wichtig für die EU: als europäischer Partner, als Verbündeter in der Nato, als Mitglied im UN-Sicherheitsrat. 

Großbritannien hat über dem Streit eines Austritts aus der EU zwei Premierminister verschlissen. Der eine, David Cameron, zettelte aus innerparteilichem Kalkül und für bessere eigene Wahlchancen das Brexit-Chaos an – und trat einen Monat später zurück. Nachfolgerin Theresa May schaffte in drei Jahren kein Austrittsabkommen, dem die EU wie auch das britische Unterhaus zustimmen konnten oder wollten. Nun soll es Boris Johnson richten, der vor dem Referendum am 24. Juni 2016 im Vereinigten Königreich die Stimmung gegen die EU mitangestachelt hatte. Er darf den Scherbenhaufenwenigstens auch aufkehren.

Auch wenn Großbritannien an diesem 31. Januar 2020 um Mitternacht die EU verlässt, ist die Gefahr eines ungeordneten Austritts, eines sogenannten No Deals, nicht gebannt. Es bleibt eine Übergangsfrist von elf Monaten, innerhalb der geregelt werden soll, wie es beispielsweise bei Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, weitergehen soll. Bis zum 31. Dezember 2020 ändert sich im Alltag fast nichts. Bis dahin bleibt Großbritannien im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Und danach? Vielleicht kommt doch der harte Bruch. Großbritannien wird der EU fehlen, aber es wird weiter zu Europa gehören. Der Austritt war Mehrheitswille des britischen Volkes. Die Briten wollten raus, jetzt sind sie es. Mit aller Konsequenz.

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