Kommentar zu Colonia Dignidad Beschämend

Meinung | Berlin · Zehn Jahre nach dem Tod des Sektenführers Paul Schäfer erhalten die Opfer der Colonia Dignidad erste Entschädigungen vom Bund. Doch kein Geld der Welt kann entschädigen, was diesen Menschen an Leid widerfuhr, kommentiert unser Autor.

 Blick in den Kartoffelkeller der Villa Baviera, der als "Colonia Dignidad" bekannten deutschen Siedlung in Chile, die unter der Leitung von Paul Schäfer stand.

Blick in den Kartoffelkeller der Villa Baviera, der als "Colonia Dignidad" bekannten deutschen Siedlung in Chile, die unter der Leitung von Paul Schäfer stand.

Foto: dpa/Benjamin Hernandez

Fast sechs Jahrzehnte, nachdem sie aus einem Kinderheim im Dörfchen Heide bei Siegburg nach Chile verschleppt wurden, erhalten die Opfer eine finanzielle „Entschädigung“ des deutschen Staates. Kein Geld der Welt kann entschädigen, was diesen Menschen an Leid widerfuhr. Es kann ihnen aber dabei helfen, wenigstens ihren Lebensabend in Würde verbringen zu können, nachdem sie ihrer Kindheit beraubt wurden, nachdem sie ein Arbeitsleben lang wie Sklaven gehalten wurden, ohne Entlohnung geschuftet haben, stets der Willkür, den Züchtigungen und seelischen Grausamkeiten des in Bonn geborenen pädophilen und sadistischen Sektenführers Paul Schäfer schutzlos ausgeliefert.

Die im Grundgesetz garantierte Würde des Menschen wurde in der „Kolonie der Würde“, der Colonia Dignidad, mit Füßen getreten. Dies war nur möglich, weil sich Schäfer auf mächtige Förderer verlassen konnte. Auf den chilenischen Diktator Augusto Pinochet, dem Schäfer die Kolonie als Folterzentrum zur Verfügung stellte, auf Erich Strätling, Deutschlands Botschafter in Chile, der aus dem Lager geflohene Deutsche gnadenlos zurückschickte, auf Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, der Schäfer das Kinderheim in Heide für die Bundeswehr abkaufte, 900.000 Mark zahlte und dem Sektenführer so den Neustart in Chile ermöglichte, auf den Siegburger Bürgermeister und Bundestagsabgeordneten Adolf Herkenrath, den ZDF-Moderator Gerhard Löwenthal, den Königswinterer Waffenhändler Gerhard Mertins, auf viele andere.

Zum Maßnahmenkatalog, den der Bundestag beschloss, gehört neben „Entschädigungen“ auch die historische Aufarbeitung eines der größten und widerwärtigsten Skandale der Bundesrepublik. Dass dies auch geschieht, wäre ein wichtiges Signal an die Opfer.

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