Kommentar Armutsbericht der Bundesregierung - Papier im Wahljahr

Klar: Gut ein halbes Jahr vor den Bundestagswahlen wird jedes Ereignis, wird jede Stellungnahme und jede politische Erklärung auf die Goldwaage gelegt.

Es ist aber geradezu lächerlich, die Qualität des Armutsberichts daran messen zu wollen, auf welcher Seite des 550-seitigen Konvoluts nun umstrittene Aussagen über die "ungleiche Verteilung von Privatvermögen" gelandet sind. FDP-Chef Rösler, der drei Tage vor dem Wahlparteitag der Liberalen unter innenpolitischem und innerparteilichem Lieferdruck steht, hatte sich erfolgreich gegen Formulierungen gewendet, die eine ungerechte Einkommensverteilung in Deutschland kritisieren.

Tatsächlich stellt der Bericht eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland fest, enthält sich aber jeder weiteren Bewertung. Diese macht auch keinen Sinn. Denn Deutschland kann die Armutsbekämpfung auf der Basis einer erstaunlich stabilen wirtschaftlichen Situation leisten.

Und: Die Hartz-IV-Politik beginnt sich für die ökonomische Stellung der Bundesrepublik auszuzahlen. Dass die Reichen noch reicher werden, wie kritisch angemerkt wird, sollte niemandem den Schlaf rauben. Hauptsache: Sie zahlen ihre Steuern in Deutschland und nicht, beispielsweise, in Russland.

Nein, der Bericht wird bald nur noch in Archiven auftauchen. Die Regierung will Richtung Zukunft schauen und plädiert für Optimismus und "Leistungsgerechtigkeit". Der Armutsbericht, der alle vier Jahre vorgelegt werden muss, kann eine Aufbruchstimmung schnell vermiesen.

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