Kommentar zum Anschlag in Halle Neue Dimension der Gewalt
Meinung | Halle · Der mutmaßlich rechtsextremistischen Terroranschlag auf eine Synagoge in Halle/Saale markiert eine neue Dimension antisemitischer Gewalt in Deutschland, kommentiert GA-Politikchef Nils Rüdel.
Jom Kippur ist der höchste Festtag im Judentum. Nach den traumatischen Ereignissen von 1973, als Ägypten und Syrien Israel angriffen, hat sich nun ein neuer Schatten auf den Tag gelegt: In Halle starben bei einem mutmaßlich rechtsextremistischen Terroranschlag auf die dortige Synagoge zwei Menschen. Der Täter versuchte offenbar, in das Gotteshaus einzudringen, in dem sich zu dem Zeitpunkt bis zu 80 Gläubige befanden. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte er die Sicherheitsbarrieren überwunden.
Auch wenn die Hintergründe noch ermittelt werden müssen: Die Bluttat von Halle markiert eine neue Dimension antisemitischer Gewalt. Waren Juden in Deutschland bisher schon beinahe täglich und immer häufiger auf der Straße Beschimpfungen und Angriffen ausgesetzt, müssen sie jetzt um ihr Leben fürchten. Ein erschütternder Befund.
Der Anschlag fand statt in einem gesellschaftlichen Klima, das zunehmend polarisiert ist, in dem Hass, Hetze und Antisemitismus wieder Auftrieb haben und Verbreitung finden. Ein Klima, in dem sich Rechtsextreme von einer gesellschaftlichen Unterstützung, die bis in die Mittelschicht reicht, getragen sehen und ermutigt fühlen, zur Tat zu schreiten.
Von Halle, von diesem Jom Kippur 2019, muss deshalb ein klares Zeichen ausgehen: Die Gesellschaft darf Antisemitismus nicht mehr schweigend hinnehmen. Nicht im Internet, nicht in der Familie, nicht unter Freunden, nicht am Arbeitsplatz. Antisemitismus, egal, ob rechts, links, in der Mitte oder unter Muslimen, darf keinen Platz haben. Keine Gleichgültigkeit mehr. Keine Sonntagsreden. Der Satz "Nie wieder!" muss mit neuem Leben gefüllt werden. Nie wieder - es sind neue Anstrengungen nötig, damit dieses Versprechen gehalten werden kann.