Kommentar zu den Ausschreitungen in den USA Amerikas Albtraum

Meinung | Bonn · Der Tod von George Floyd in Minneapolis bringt das Fass zum Überlaufen und die Proteste gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit im Land in Gang. Der latente Rassismus, eine der Ursünden der USA, hat überlebt, kommentiert unser Autor.

 Der Tod von George Floyd in Minneapolis bringt das Fass zum Überlaufen und die Proteste gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit im Land in Gang.

Der Tod von George Floyd in Minneapolis bringt das Fass zum Überlaufen und die Proteste gegen Rassismus und soziale Ungerechtigkeit im Land in Gang.

Foto: dpa/Evan Vucci

Die schwarze Sängerin Billie Holiday sang in der Mitte des vorigen Jahrhunderts von den seltsamen Früchten, die an den Zweigen der Südstaaten-Bäume hängen. Gemeint waren die Körper gelynchter Schwarzer, die im Wind baumeln, das Lied eine herzzerreißende Anklage gegen die Unterdrückung der Schwarzen in den USA, gegen die Rassentrennung, gegen Armut und gegen die Gewalt, die Weiße gegen Schwarze ausübten, oft ohne dass die Täter bestraft wurden.

Trotz der gewaltigen Fortschritte, die es seitdem bei der gesellschaftlichen Gleichstellung gegeben hat: Der latente Rassismus, eine der Ursünden der USA, hat überlebt als böse Tradition eines Teils der weißen Gesellschaft. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Vorfälle, in denen Schwarze aus nichtigen Anlässen straflos getötet wurden. Nicht selten waren weiße Polizisten die Täter. Die „Black Lives Matter“-Bewegung zum Beispiel (Schwarze Leben zählen) entstand als Reaktion auf die Ermordung eines schwarzen Teenagers und den anschließenden Freispruch für den Täter in Florida 2013. Auch damals gab es eine USA-weite Rassismusdiskussion und Proteste in mehreren Städten.

Der Unterschied zwischen 2013 und 2020: Vor sieben Jahren saß mit Barack Obama ein Präsident im Weißen Haus, der sich bemühte, die vielen Gräben in der US-Gesellschaft zu überbrücken. Schwarze und andere nichtweiße US-Amerikaner konnten darauf vertrauen, dass ihre Rechte und Interessen vertreten würden.

Dass die Frustration und Empörung vieler US-Bürger über staatliche Gewalt nun in eine Welle von Protest, Plünderungen und Brandstiftungen mündet, hat mehrere Ursachen. Obamas Nachfolger Donald Trump ist kein Verbündeter der Armen und Zukurzgekommenen der US-Gesellschaft (obwohl er auch von vielen armen weißen Amerikanern gewählt wird). Bei Obama konnten sie darauf hoffen, dass er seine Macht nutzen würde, um ihnen Gerechtigkeit zu verschaffen. Viele von Trumps Äußerungen dagegen können die Kämpfer für eine weiße Vorherrschaft in den USA dagegen als Ermutigung verstehen.

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verschärfen nun die sowieso für Europäer schwer nachvollziehbare extreme Ungleichheit zwischen dem armen und dem reichen Amerika. Nach wie vor gilt: Die Armut ist in den USA in den schwarzen und farbigen Stadtteilen zu Hause. Mit nur einem Minimum an staatlicher Fürsorge stehen Millionen Amerikaner vor dem wirtschaftlichen Abgrund. Die Tötung von George Floyd in Minneapolis durch einen Polizisten hat die brisante Mischung aus Armutsängsten, gesellschaftlicher Frustration und Gewaltbedrohung entzündet – ein amerikanischer Albtraum.

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