Kommentar Alternative für Deutschland - In die Lücke

Mit der Alternative für Deutschland (AfD) betritt nach den Piraten die zweite neue Partei, der ein Überraschungserfolg zugetraut wird, die politische Bühne. Deutschland raus aus dem Euro - so lautet die Kernforderung der AfD. Viele ihrer Repräsentanten haben ganz offensichtlich die längste Zeit ihres Lebens mit der D-Mark verbracht. Aber trifft das auch die Meinung einer Mehrheit der Deutschen?

Im Gegenteil: DM-Nostalgie kommt aus der Mode. Nur 27 Prozent wünschen sich die Nationalwährung zurück, mehr als zwei Drittel wollen den Euro behalten, ergab erst vor wenigen Tagen eine repräsentative Forsa-Umfrage. Auch die Bevölkerung der Schuldenstaaten hat kein Interesse an einer Rückkehr zu ihren Schwachwährungen.

Wie die von der AfD geforderte "geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebiets" ablaufen soll, ohne in ein völliges politisches und wirtschaftliches Chaos zu führen, bleibt das Geheimnis der neuen Partei. Es sind mehr Formulierungen als Inhalte, die aufhorchen lassen: "Jedes Volk muss demokratisch über seine Währung entscheiden dürfen", heißt es im Programm der AfD.

Die neue Partei tut damit gerade so, als wäre den Deutschen die Entscheidung über den Euro verwehrt worden. Als seien die Regeln der repräsentativen Demokratie, nach denen diese Entscheidung zustande gekommen ist, unzureichend. Populismus oder berechtigte Kritik? Die AfD setzt sich jedenfalls für mehr Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild ein.

Zweifel und Kritik am politischen Beteiligungsprozess gepaart mit dem Wunsch nach mehr direkter Beteiligung der Bürger - hier haben die AfD und die Piratenpartei einiges gemeinsam. Und spiegeln vielleicht auch tatsächlich das politische Unzufriedenheitsgefühl vieler Bürger. In Zeiten des Internets ist es zur Gewohnheit geworden, zu jedem Thema sofort einen "Gefällt mir"-Button drücken oder seine Meinung kundtun zu dürfen.

Warum dann nicht auch bei politischen Entscheidungen wie Euro, Energiewende oder Tempolimit auf Autobahnen direkt abstimmen Hinzu kommt das Gefühl, dass Bund und Länder auf wichtigen Politikfeldern auch wegen gegenseitiger Blockaden in den vergangenen Jahren nicht weitergekommen sind.

So etwa beim Steuerrecht, bei der Vereinheitlichung des Bildungssystems oder beim Einwanderungsrecht, wo die AfD eine Reform nach kanadischem Vorbild anregt. Und wenn es in der Bevölkerung das Gefühl eines Demokratie-Defizits gibt, dann erst recht auf europäischer Ebene.

Ob Glühbirnen-Verbot oder die geplante, dann aber wieder verworfene Kleinsparer-Beteiligung an der Rettung Zyperns: Es ist immer gefährlich, wenn politische Debatte und politische Entscheidung auf unterschiedlichen Ebenen laufen. Neue Parteien stoßen in genau diese Lücke.

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