Kommentar zum Rücktritt von DFB-Präsident Niersbach Abpfiff

Es ist erst ein paar Monate her, dass Wolfgang Niersbach mit einer aufsehenerregenden Zehn-Punkte-Liste den in schweren Turbulenzen steckenden Fußball-Weltverband Fifa reformieren wollte. Aufklärung bis ins letzte Detail war Kernpunkt des Programms.

Da empfahl sich jemand, so der Eindruck, nachdrücklich als möglicher Nachfolgekandidat für den nicht mehr tragbaren Schweizer Sepp Blatter. Doch der, der laut nach Aufklärung rief, hat im eigenen Laden nichts aufgeklärt. Niersbach ist gestern als DFB-Präsident zurückgetreten. Ein notwendiger Schritt. Eine Funktionärs-Bilderbuchkarriere ist damit abrupt und unschön zu Ende gegangen.

Niersbach hat die Verantwortung für die Affäre um die WM 2006 mit ihren dubiosen Geldflüssen übernommen, ein Schuldeingeständnis ist das nicht. Doch spätestens, seitdem die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung auch gegen den 64-Jährigen ermittelt, war Niersbach im Amt nicht mehr zu halten. Mit dem Erscheinen der Justiz, mit Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmung von Dokumenten hatte die Affäre eine neue Dimension erreicht. Niersbach war handlungsunfähig.

Ein DFB-Chef, der im Visier der Steuerfahnder steht, der aber gleichzeitig auf internationalem Parkett Stimmen für die deutsche Bewerbung um die Europameisterschaft 2024 sammeln soll? Selbst in der windigen Fußball-Branche ist diese Konstellation undenkbar. Auch um möglichen sportpolitischen Schaden vom Verband fernzuhalten, trat der frühere Journalist zurück. Im eigenen Hause hatte er schon vorher die Rückendeckung verloren. Der DFB legte jüngst Wert auf die Feststellung, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung Privatpersonen, aber nicht den Verband beträfen. Um Niersbach wurde es selbst in der Frankfurter Zentrale einsamer.

Zu seinem unrühmlichen Abgang hat der Topfunktionär maßgeblich beigetragen. Die Bezeichnung "amateurhaft" für seinen Umgang mit der Affäre wäre beschönigend, unglaubwürdig träfe es besser. Dass Niersbach nichts von den 6,7 Millionen wusste, die angeblich auf ein Fifa-Konto flossen? Unwahrscheinlich. Seine Erklärungsversuche? Widersprüchlich bis dilettantisch. Die legendäre Pressekonferenz, auf der der Medienprofi für Klarheit sorgen wollte, geriet zum Fiasko. Millionen Zuschauer wurden Zeugen, als Niersbachs Krisenmanagement völlig versagte. Der joviale Rheinländer ist wahrscheinlich kein Betrüger, aber die Situation und das Amt überforderten ihn.

Die Affäre ist mit seinem Rücktritt nicht ausgestanden, entscheidende Fragen bleiben ungeklärt: Wohin flossen die Millionen, was geschah mit dem Geld, was wussten die Idole Beckenbauer und Netzer? Reinhard Rauball und Rainer Koch, die die Geschäfte übernehmen, müssen forcieren, was Niersbach nicht schaffte: glaubwürdig aufklären. Die Voraussetzungen sind nicht die schlechtesten: Sie gelten als integer und kompetent. Und vor allem gehören sie nicht dem Umfeld der Strippenzieher des Sommermärchens an. Klar ist: Niersbachs Rücktritt ist nicht das letzte Beben, das den DFB erschüttert.

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