Kommentar zu "Fridays for Future" Klima-Schwänzer

Meinung | Bonn · Bei der Erderhitzung wird alles Machbare in die Warteschleife geschoben. Tatsächlich schwänzt die Politik seit Jahren den Klimaschutz. Stattdessen werden die „Fridays for Future“-Teilnehmer kritisiert und von ihren Inhalten abgelenkt.

 Demonstranten der "Fridays for Future"-Bewegung stehen vor dem Tagungshotel, in dem die Konferenz der Umweltminister und -senatoren stattgefunden hat.

Demonstranten der "Fridays for Future"-Bewegung stehen vor dem Tagungshotel, in dem die Konferenz der Umweltminister und -senatoren stattgefunden hat.

Foto: Daniel Reinhardt

Als das bizarre Ibiza-Video bei österreichischen Politikern für rote Köpfe sorgte, kritisierten Betroffene die Form der Veröffentlichung, drohten „gnadenlos mit allen Rechtsmitteln“. Der Ehrgeiz, vom Inhalt abzulenken, ist auch bei den Demonstrationen „Fridays for Future“ beträchtlich. Seitdem Schüler in Deutschland für mehr Klimaschutz protestieren, rücken Politiker regelmäßig die Schulschwänzer-Frage in den Fokus. Leider auch die Medien. Seitenlang wurde und wird der Konflikt von zwei konkurrierenden Grundrechten – Versammlungsfreiheit und Schulpflicht – erörtert.

Nicht, dass dieser Diskurs überflüssig wäre: Aber die Balance geht verloren, wenn der Grund der Proteste nur im Kleingedruckten vorkommt. Rar und zaghaft sind die journalistischen Versuche, Politiker mit dem aktuellen Forschungsstand und eigenen Fehlhandlungen zu konfrontieren. Dass Deutschlands Minister aus Landwirtschaft, Verkehr und Wirtschaft nahezu täglich gegen das Vorsorgeprinzip, einen Grundsatz der Umwelt- und Gesundheitspolitik, verstoßen, wird ebenfalls nur am Rande thematisiert.

Kritiker von „Fridays for Future“ können die Schüler – in Teilen zu Recht – als „niedlich“, „naiv“, „hysterisch“, „unprofessionell“ oder eben als „Schwänzer“ betrachten, aber ihr Protestgrund ist wissenschaftlich fundiert. Eine zweite Meinung kann es dazu nicht geben, sofern Politik und Gesellschaft der fortschreitenden, vom Menschen verursachten Erderwärmung rational begegnen.

Dies ist leider nicht der Fall. Eher lässt sich ein rational-egoistischer Handlungshorizont bei Wählern und Gewählten erkennen, dessen Takt die eigene Lebenserwartung oder Legislaturperiode vorgeben. Das erstaunt, denn die Klimakrise vollzieht sich schneller als erwartet. Längst müsste sich die egoistische Hoffnung verflüchtigt haben, dass er „nur“ die heutige junge Generation und die Ungeborenen trifft.

Deutschlands Energiewende torkelt, die Regierung stellt nach verfehlten Zielen immer neue Pläne auf – und verschiebt weiter Unaufschiebbares. Das macht sie seit Jahrzehnten so und nährt vor Mikrofonen die Illusion, dass es Klimaschutz gebe, den kein Wähler spüre. Natürlich kann das reiche Land nicht allein das Erdklima retten, aber es verringert noch nicht einmal den eigenen Gasmüll in einem Maße, zu dem es sich verpflichtet hat. Ein Preis für CO2? Höhere Spritpreise? Eine Steuer auf Inlandsflüge? Alles Fehlanzeige, alles Machbare wird in die Warteschleife geschoben. Tatsächlich schwänzt die Politik seit Jahren den Klimaschutz.

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