Kommentar 30 Jahre E-Post in Deutschland - Mail für alle

Kaum ein Mensch dürfte damals geahnt haben, was die erste Mail an einen deutschen Empfänger für die Zukunft bedeutete: Vor gerade mal 30 Jahren erreichte elektronische Post aus dem Bostoner Massachusetts Institute of Technology (MIT) den Karlsruher Professor Michael Rotert, der schlicht unter der Adresse rotert@germany zu erreichen war.

Was zuerst wie ein Nischenprojekt der Wissenschaftler anmutete und militärische Wurzeln hatte, entwickelte sich in Windeseile zum Massenkommunikationsmittel. Gemeinsam mit dem Internet, das diese Art der Informationsübermittlung erst möglich machte, eine technische Revolution. Entfernungen spielten keine Rolle mehr. Beinahe in Echtzeit erreichten Nachrichten und Dokumente ihren Empfänger. Anders als bei einem Telefonat musste der Ansprechpartner nicht im selben Moment verfügbar sein. Ein Segen, der sich auch als Fluch entpuppte.

Viel weniger spektakulär als die Technik war schon der Inhalt der ersten Mail: Eine US-Kollegin schickte einen Willkommensgruß an den ersten deutschen Nutzer des damals entstehenden Computernetzwerks. Heute schicken die Nutzer 3,7 Millionen Mails pro Sekunde um den Erdball und verfügen über 3,8 Milliarden Mailkonten.

Die Flut der Mails bedeutet allerdings keineswegs, dass die Inhalte schwerer wiegen: Allein die Zahl der jährlich verschickten Spam-Mails liegt nach Schätzungen in Milliardenhöhe. Sie verursachen nach einer Studie von US-Experten, die pikanterweise selbst aus der Computerbranche stammen, jährlich einen wirtschaftlichen Schaden von 14 Milliarden Dollar.

Ganz zu schweigen von den Mängeln beim Datenschutz: Experten vergleichen die Mail nicht umsonst mit der Postkarte. Und wer noch an die Vertraulichkeit glaubte, wurde spätestens durch die NSA eines Besseren belehrt.

Alarmierend auch die Zahl derjenigen, die unter der täglichen Mailflut in die Knie gehen. Vermischung von Privat- und Berufsleben und eine wachsende Anspruchshaltung auf sofortige Entgegnung sind nur einige der Symptome, die dazu führen.

Unternehmen reagieren inzwischen darauf und verordnen ihren Mitarbeitern temporäre Mailabstinenz. Untereinander sind die Nutzer oft weniger sensibel: Eine Mail ist schnell versendet, bevor der Zorn verraucht ist, aber weit weniger schnell vergessen. Die Cc-Funktion dient als virtuelle Zuschauertribüne und Sicherheitsnetz, macht Chefs und Kollegen zu Mitwissern, ohne dass sich einer wirklich gemeint fühlt. Schlimmer noch: das Bcc-Feld, quasi die implizite Aufforderung zum Verrat, weil der Hauptadressat nicht sieht, wer mitliest.

Aber, wie IT-Fachleute sagen: Das Problem sitzt vor der Tastatur. Schließlich hätten es die Nutzer in der Hand, die Mail dosierter und sinnvoller einzusetzen. Oder, das hilft oft weiter, führen Sie einfach ein Gespräch.

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