Kommentar zu Boris Johnson Sicherer Ort

Meinung · Bei der Rede von Boris Johnson vor seinen Anhängern der konservativen Partei erntete er Applaus aus allen Richtungen. Ganz so energetisch wie sonst wirkte Johnson aber nicht, kommentiert Katrin Pribyl.

 Boris Johnson (M), Premierminister von Großbritannien, verlässt in Begleitung seiner Partnerin Carrie Symonds (r) nach seiner Rede auf dem Parteitag der britischen Konservativen die Bühne.

Boris Johnson (M), Premierminister von Großbritannien, verlässt in Begleitung seiner Partnerin Carrie Symonds (r) nach seiner Rede auf dem Parteitag der britischen Konservativen die Bühne.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Boris Johnson war genau da, wo er sein wollte - auf der großen Bühne, umjubelt von seinen Anhängern der konservativen Partei. Für den Premierminister handelte es sich bei seiner Rede am Mittwoch um einen sicheren Ort, hier konfrontierten ihn keine Kritiker mit seinen falschen Versprechen oder anderen Halbwahrheiten, dafür erntete der so schillernde wie umstrittene Politiker Applaus aus allen Richtungen. Und trotzdem, ganz so energetisch wie sonst wirkte Johnson nicht. Und auch seine Zuhörer schienen am vierten und letzten Tag der parteiinternen Selbstbeweihräucherung etwas ausgelaugt und erschöpft.

Mit Kriegsmetaphern hielt sich Johnson zurück, viel lieber holte er bekannte Wahlkampf-Slogans aus dem Frühjahr 2016 aus der Schublade. Sie verfangen selbst noch im Herbst 2019. So manche Brexit-Anhänger befürchten jedoch angesichts des Widerstands des Parlaments und einem No-No-Deal-Gesetz, dass aus ihrem Traum eines Brexits am 31. Oktober so schnell doch nichts werden könnte. Sie sind wütend über den angeblichen "Verrat" und setzen alle Hoffnung auf Johnson. Und so wird der Premier zufrieden auf seine erste Rede als Parteivorsitzender blicken, die mit Jubel und "Boris"-Rufen endete. Nun wird es darum gehen, was in Brüssel passiert; dort werden die Sorgen zunehmen angesichts der harten Haltung der britischen Regierung.

Dabei begann der Parteitag keineswegs, wie sich Johnson das vorgestellt haben dürfte. Nach Niederlagen vor dem Supreme Court und im Parlament, nach eskalierten Wortgefechten im Unterhaus und Kritik von allen Seiten an seiner Rhetorik kamen auch noch private Affären aus seiner Vergangenheit ans Licht. Doch Johnson kann sich so als Opfer präsentieren und all seine proeuropäischen Gegner als schlechte Verlierer hinstellen. Genauso kommt sein Versprechen gut an, dass es unter seiner Führung keine Verschiebung des Austritts geben wird.

Gleichzeitig betont der Premier gebetsmühlenhaft, dass er einen geregelten Brexit mit Abkommen erreichen will. Nur kann man ihm nicht glauben. Der bekannt gewordene Vorschlag, wie London die Situation an der künftigen Grenze auf der irischen Insel lösen will, ist Makulatur. Beinahe könnte man behaupten, London bitte um eine Abfuhr aus Brüssel. Aber eigentlich ist es nur die Bestätigung dafür, dass der Regierungschef nie ernsthaft versucht hat, einen realistischen Kompromiss mit der EU zu vereinbaren. Ab jetzt wird es ihm darum gehen, auf der Insel das Narrativ zu formen, dass die EU und nicht die Briten die Schuld am Scheitern der Verhandlungen tragen - und am allerwenigsten Boris Johnson.

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