Jede Maus im Blick und Frieden in den Köpfen

Der Tag begann für viele Beteiligte schon mitten in der Nacht - 1 000 Polizisten sichern den Petersberg, und 360 Journalisten berichten in alle Welt - Kunstwerk erinnert an ersten Gipfel vor einem Jahr

Jede Maus im Blick und Frieden in den Köpfen
Foto: Homann

Königswinter. 7 Uhr. Noch ist es dunkel - und kalt. Nur der Petersberg hoch oben im Siebengebirge ist hell erleuchtet. Unten, an der Zufahrt, ist Schichtwechsel bei der Polizei. Beamte aus Dortmund und Bochum haben Feierabend, Kollegen aus Köln und Essen beziehen Posten an den Absperrgittern. Eine Stunde später nähern sich die ersten Wagenkolonnen mit Konferenz-Teilnehmern. Sie haben Vorfahrt vor allen anderen. Der Verkehr stockt.

Die Polizei hat alles im Griff. Rund 1000 Beamte sorgen für Sicherheit. "Es läuft ausgesprochen gut", sagt Polizeipräsident Wolfgang Albers.

Hektik kommt kurz auf, als um 8 Uhr nach einem Auffahrunfall am Fuß des Petersbergs der Motor eines Auto in Brand gerät. Zwei Menschen werden nach Polizeiangaben leicht verletzt. Die L 331 wird für eine halbe Stunde gesperrt.

In der Königswinterer Wache hat Oberkommissar Joachim Mosler seinen Dienst angetreten. Das Telefon klingelt. Besorgte Bürger wundern sich über laute Geräusche, die sie nicht recht zu deuten wissen. Mosler kann sie schnell beruhigen: Das war nur der Lärm der Hubschrauber, die einige der 32 Delegationen auf dem Luftweg auf den Petersberg bringen.

Um 9.20 Uhr landet ein Hubschrauber mit Bundeskanzler Gerhard Schröder direkt auf dem Petersberg. Unten kracht es erneut - direkt an der Zufahrt zum Gästehaus. Ein Autofahrer aus Hamburg stoppt, ein Wagen aus Altenkirchen fährt auf. "Ich hab''s kommen sehen", sagt eine Polizistin.

Sie und ihre Kollegen nehmen die Kontrollen ernst. Die Fahrer eines Früchte- und Gemüsewagens sowie eines Fleischgroßhandels müssen ihre Ladeklappen öffnen. Polizisten leuchten mit Taschenlampen in jeden Winkel - damit auch wirklich nur das auf den 325 Meter hohen Berg transportiert wird, was transportiert werden darf.

Kurz nach 10 Uhr kommen Demonstranten. 250 waren der Polizei gemeldet; rund 20 sind gekommen. Unter ihnen Heelai Noor, eine afghanische Studentin, die mit Freunden erst vor wenigen Wochen von der 1. Internationalen Jugendkonferenz in Kabul zurückgekehrt ist. "Wir wollen uns am Wiederaufbau Afghanistans beteiligen. Wir kennen jetzt Menschen, denen wir vertrauen können und schicken denen Geld", sagt Noor. Die Regierung habe viel versprochen, doch geschehen sei nichts.

Am Kutschenweg haben sich gegen 11 Uhr 30 Mitglieder des Iranischen Flüchtlingsrates versammelt. Sie schwenken rote Fahnen und sprechen sich gegen die Teilnahme der iranischen Regierung an der Konferenz aus.

Gästehaus-Direktor Horst Jüntgen ist zu dieser Zeit seit Stunden auf den Beinen. "Bei so wichtigen Anlässen übernachte ich immer in meiner Wohnung hier oben, um jederzeit für meine Leute ansprechbar zu sein", sagt er. Bereits am Sonntag hatte er den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai am Hubschrauber abgeholt und zu seiner Suite geleitet. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer verbrachte die Nacht auf dem Petersberg.

Für Diana Nowak war die Nacht früh zu Ende. Die Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes leitet das Pressezentrum der Konferenz im Arbeitnehmerzentrum. "Ab 4.30 Uhr haben hier die Akkreditierungen begonnen, um 5.45 Uhr ging der erste Shuttlebus mit Journalisten auf den Berg." 360 der erwarteten 400 Pressevertreter sind erschienen. Wer hoch will, muss strenge Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen.

Die Reporter aus dem europäischen oder amerikanischen Raum lassen den Tag gelassen angehen: Bis zur Abgabe ihrer Berichte sind es noch viele Stunden, und sie können die Abschlusspressekonferenz um 15.30 Uhr in aller Ruhe abwarten. Meist sieht man sie bei einem Kaffee ins Gespräch mit Kollegen vertieft.

Beim Korrespondenten der Pakistan Post und einem japanischen Kollegen drängt die Zeit: in der Heimat wird es Abend. Auch die Kabinen für Radioreporter sind ständig besetzt. Während Javier Solana für die EU spricht, werden erste Berichte vom Rhein in alle Welt geschickt.

Ein deutscher Journalist stellt im Interview mit Polizeisprecher Harry Kolbe fest, dass der Petersberg hermetisch abgeriegelt ist. Da komme keine Maus durch.

Kolbe widerspricht: "Die Maus werden wir sicher mit der Wärmebildkamera aufnehmen, und dann sind wir sofort an der Maus dran."

Von der Geschäftigkeit rund um die Konferenz ist in der Königswinterer Fußgängerzone nichts zu spüren.

Der Guardian, Independent, Herald Tribune, Le Monde und La Repubblica stapeln sich neben deutschen Tageszeitungen im Laden von Silva Reintgen. Nach den Erfahrungen vom vergangenen Jahr hat sie vorgesorgt: "Nicht einer ist gekommen, aber ich kann die Zeitungen ja alle zurückschicken."

Großer Andrang herrscht mittags am Hotel Maritim, wo Staatssekretärin Kerstin Müller die Statue "Frieden beginnt in den Köpfen" des Kölner Metallbildhauers Jens Kleinen enthüllt. Die große Skulptur mit zwölf zu einem Kopf verbundenen kleinen Menschenskulpturen soll an die erste UN-Afghanistan-Konferenz erinnern.

Müller sieht in dem Kunstwerk einen Appell an die ganze Welt, den Friedensgedanken vom Siebengebirge an den Hindukusch zu tragen. "Es kann für eine Stadt nichts Ehrenvolleres geben, als Ort eines Friedensschlusses zu sein", formuliert es Königwinters Bürgermeister Peter Wirtz.

Am Nachmittag zieht Polizeipräsident Wolfang Albers positive Bilanz: "Bis zur Abreise des letzten Konferenzteilnehmers am Dienstag bleiben wir aber weiterhin höchst wachsam."

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