Agnes-Miegel-Straße soll bleiben

SANKT AUGUSTIN · Die Anlieger in Sankt Augustin wollen den Namen trotz des Nazi-Bezugs behalten. Ihr Vorschlag: Ein Zusatzschild zur Erläuterung am Schild anbringen.

 Das Agnes-Miegel-Straßenschild in Sankt Augustin erhält einen Zusatz.

Das Agnes-Miegel-Straßenschild in Sankt Augustin erhält einen Zusatz.

Foto: GA-Archiv

Die Agnes-Miegel-Straße in Sankt Augustin ist eine ruhige Straße, eine Spielstraße. Akkurat gepflegte Vorgärten, Kinder spielen vor dem Haus, und die Nachbarn halten einen Plausch auf der Straße. Eine ganz normale Straße also, und doch eine besondere: Die Namensgeberin und Dichterin Agnes Miegel hat in ihren Gedichten den Nationalsozialismus verherrlicht und Adolf Hitler verehrt.

Das haben sicher die wenigsten Anwohner gewusst. Seit Mai dieses Jahres ist das anders. Die Fraktion Aufbruch hatte die Diskussion um eine Umbenennung angestoßen. Am Dienstag will der Kulturausschuss (18 Uhr, Rathaus) darüber beraten, wie nun verfahren werden soll. Das betrifft auch die Ina-Seidel-Straße, die Langemarckstraße und die Möldersstraße.

Für die meisten Anwohner indes ist klar, dass sie ihren Straßennamen behalten wollen. "Sicher kann man darüber streiten. Aber eine Umbenennung ist ja auch mit viel Aufwand und Kosten verbunden", sagt ein Anwohner. Er schlägt vor, doch ein Zusatzschild mit entsprechenden Informationen am Straßennamen anzubringen.

Das ist auch für Frank Uhland ein tragfähiger Kompromiss. Er wohnt in der Ina-Seidel-Straße und hat sich mit seinen Nachbarn intensiv mit der Person Ina Seidel befasst. "Wir haben uns gemeinsam für ein Zusatzschild ausgesprochen", erklärt Uhland. Ina Seidel, so haben die Anwohner recherchiert, habe dem Nationalsozialismus zwar ausgesprochen positiv gegenübergestanden.

"Aber sie hat sich später mit ihrer eigenen Geschichte auseinandergesetzt und bereut", sagte Uhland. Bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatstadt Starnberg 1970 habe sie sich selbst große Vorwürfe gemacht und sich für ihre unkritische Haltung geschämt. Vier Jahre zuvor hatte sie das Bundesverdienstkreuz erhalten. "Beide Dichterinnen sind von der Nazi-Propaganda auch benutzt worden", meint Uhland.

Gleichwohl: Agnes Miegel hat sich bis zu ihrem Tode nicht öffentlich von den Verbrechen des Nationalsozialismus distanziert, wie die Augustiner Stadtverwaltung recherchiert hat.

Bundesweit haben sich deshalb in den vergangenen Jahren in einigen Städten wie Osnabrück, Wilhelmshaven oder Düsseldorf Schulen, die nach Agnes Miegel benannt worden sind, von ihrer Namensgeberin abgewandt und sind umbenannt worden. Das Gleiche gilt für Straßen, etwa in Celle oder im münsterländischen Neuenkirchen/St. Arnold, wo die Anlieger auch ihren Straßennamen behalten wollten.

Auch die Augustiner Anlieger der Ina-Seidel- und Agnes Miegel-Straße möchten mehrheitlich keinen anderen Namen. "Die Meinungen sind da sicher nicht einheitlich. Aber Erläuterungen auf einem Zusatzschild geben doch auch Anlass für Diskussionen gegen das Vergessen", sagt ein Anwohner. In Bonn werde auch so verfahren, meint er und weist auf die Wernher-von-Braun-Straße hin. "Wer kennt schon Agnes Miegel", fragt ein älterer Herr, der eine Umbenennung unnötig findet. "Ich finde, es ist sehr schwierig festzustellen, wo denn da die Grenzen liegen", sagt eine Anwohnerin.

Seit 24 Jahren bestehen die Straßennamen. Heute würden die Straßen nach derzeitigem Wissensstand wohl anders benannt werden. Nach Informationen des General-Anzeigers werden die Namen wohl bleiben. Darauf soll sich die CDU/FDP-Mehrheit verständigt haben. Als Kompromiss wollen sich die Politiker für ein Zusatzschild aussprechen.

Agnes Miegel: Die Lyrikerin wurde 1879 in Königsberg geboren und schrieb Gedichte und Erzählungen, die nach Meinung der Forschung auf eine tiefe Verbundenheit zu Adolf Hitler schließen lassen. Sie wurde auch als "Mutter Ostpreußens" bezeichnet. Im Oktober 1933 gehörte sie zu den 88 Schriftstellern, die das "Gelöbnis treuester Gefolgschaft" für Adolf Hitler unterschrieben haben, wie auch Ina Seidel. 1940 trat sie in die NSDAP ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog sie nach Bad Nenndorf und lebte dort bis zu ihrem Tode im Jahr 1964.

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