Jahrelanger Konflikt Wie geht es weiter nach dem Abzug der Rebellen aus Aleppo?

Damaskus · Mit dem Rücken zur Wand gehen die Rebellen in Aleppo einen Deal mit dem syrischen Präsidenten ein: Angesichts der militärischen Übermacht sind sie bereit, die letzten Viertel im Osten der zerbombten Stadt aufzugeben. Einen endgültigen Sieg bedeutet das für das Regime in Damaskus aber nicht.

Lange galt Aleppo als die am heftigsten umkämpfte Stadt im syrischen Bürgerkrieg. Der angekündigte Abzug der Rebellen könnte ein Wendepunkt in dem jahrelangen Konflikt werden.

Warum wird der Kampf um Aleppo so erbittert geführt?

Aleppo hat sich zu einem Symbol in dem mehr als fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg entwickelt. Fast seit Beginn der Kämpfe war die Stadt geteilt: Das Regime kontrollierte die westlichen Stadtviertel, Rebellen den Osten. Aleppo ist die größte Stadt im Norden Syriens und war vor dem Krieg eine wichtige Handelsmetropole. Zudem kommt ihr auch eine wichtige strategische Bedeutung zu.

Welche strategische Bedeutung hat Aleppo?

Mit dem endgültigen Sieg über die Rebellen in Ost-Aleppo würde der Spielraum der syrischen Armee und ihrer Verbündeten enorm wachsen. Ein entscheidendes Schlachtfeld fällt weg, die Armee kann sich dann auf die anderen Fronten im Land konzentrieren. Der Kampf um Aleppo hat viele Kräfte gebunden. Zudem kontrolliert das Regime nach dem Abzug der Rebellen wieder eine wichtige Achse von Nordsyrien Richtung Süden bis in die Hauptstadt Damaskus.

Welche symbolische Bedeutung hat der angekündigte Abzug für Assad?

Mit der vollständigen Rückeroberung Aleppos hätte Machthaber Baschar al-Assad wieder alle wichtigen Großstädte im Land unter Kontrolle. Angefangen von Aleppo im Norden über Homs bis zur Hauptstadt Damaskus würde die Armee dann wieder die Gebiete Syriens kontrollieren, in denen die meisten Menschen leben. Die komplette Einnahme einer Metropole, die fast fünf Jahre lang heftig umkämpft war, wäre eine Demonstration der Macht Assads - trotz der Hilfe durch Syriens Verbündete.

Wie wichtig war das Eingreifen Russlands?

Die Front zwischen Ost- und West-Aleppo war lange Zeit fast statisch. Erst mit dem Eingreifen Moskaus und der Luftunterstützung durch die russische Armee verschoben sich die Frontverläufe innerhalb der Stadtgrenzen. Wie verwundbar die Armee von Syriens Präsident Baschar al-Assad ohne die Unterstützung seiner Verbündeten Russland und der schiitischen Hisbollah ist, hat der überraschende Einmarsch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der zuvor von Regierungstruppen beherrschten antiken Stadt Palmyra in Zentralsyrien gezeigt.

Könnte der Fall Aleppos ein baldiges Ende des Bürgerkrieges bedeuten?

Ziehen die Rebellen tatsächlich ab, wäre der Sieg über die Aufständischen in Aleppo sicherlich ein Wendepunkt in dem andauernden Krieg; dessen Ende bedeutet das aber noch lange nicht. Die Terrormiliz IS kontrolliert weiter größere Gebiete in Zentral- und Ostsyrien. Verschiedene Rebellengruppen halten Gebiete in ländlicheren Regionen. Unter diesen Gruppen - von moderaten bis zu islamistischen Gruppierungen - könnten sich jetzt neue Bündnisse ergeben. Zudem könnten einzelne Gruppen dazu übergehen, gezielt Anschläge zu verüben. Zu viele unterschiedliche Interessen und Gruppen spielen in Syrien mittlerweile eine Rolle, als dass das Ende einer Schlacht auch das Ende des Krieges bedeuten würde.

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