"Asylwende" und Abschiebung Was hat Seehofer bisher erreicht?

Berlin · Seehofer eckt an - mit flapsigen Sprüchen, ministerialen Alleingängen und unorthodoxen Methoden. Dafür hat er zuletzt viel Kritik vom Koalitionspartner und vom Bürger einstecken müssen. Ob ihm die Hauruck-Abschiebung von Sami A. wohl aus dem Umfragetief hilft?

 Innenminister Seehofer stellt in Berlin den "Masterplan Migration" vor.

Innenminister Seehofer stellt in Berlin den "Masterplan Migration" vor.

Foto: Kay Nietfeld

Horst Seehofer (69) ist ein sturer Innenminister. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er das durch. Auch wenn er dabei gelegentlich die Grenzen des rechtlich Machbaren touchiert.

Die Abschiebung von Sami A., der Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden als Leibwächter gedient haben soll, erklärt der CSU-Vorsitzende zur Chefsache. Als der neue Bundesinnenminister sechs Wochen nach Amtsantritt die Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit skizziert, kommt er auf den Tunesier zu sprechen. Seehofer sagt, er sei "entschlossen, da weiter dran zu bleiben an dem Fall".

Dass der als islamistischer Gefährder eingestufte Mann jetzt ins Flugzeug gesetzt wurde, bevor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine Entscheidung über einen Eilantrag von Sami A. den zuständigen Behörden zustellen konnte, ist ein Beispiel für die etwas unorthodoxen Methoden des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten. Die Entscheidung über das Ob und das Wann einer Abschiebung treffen zwar die Länderbehörden. Doch bei der Beschaffung der Passersatzpapiere ist der Bund involviert. Für die praktische Durchführung der Abschiebung ist die Bundespolizei zuständig, die Seehofers Ministerium genauso untersteht wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das am Fall Sami A. ebenfalls beteiligt war.

Auch bei Ali B., dem mutmaßlichen Mörder der 14-jährigen Susanna aus Mainz, lief nicht alles nach Lehrbuch. Bundespolizei-Chef Dieter Romann holte ihn im Juni zusammen mit mehreren Beamten an Bord einer "Lufthansa"-Maschine aus dem Nordirak zurück nach Deutschland. Da die irakischen Kurden den abgelehnten Asylbewerber nicht an Deutschland ausliefern konnten, wurde die Rückführung ins Bundesgebiet als "Abschiebung" deklariert.

Die Fälle Ali B. und Sami A. werfen beide juristische Fragen auf. Doch unstrittig ist: Viele Bürger wollen nicht, dass sich ein mutmaßlicher Mörder durch Flucht ins Ausland dem Gerichtsverfahren entzieht. Auch die Tatsache, dass Sami A. trotz seiner Vergangenheit in einem Al-Kaida-Lager über Jahre in Deutschland von staatlichen Leistungen gelebt hat, sorgte für Empörung.

Ob die unfreiwillige Ausreise des islamistischen Gefährders Seehofer helfen wird, aus dem Umfragetief herauszukommen, muss sich aber erst noch zeigen. Zuletzt sah es für ihn jedenfalls nicht gut aus. Laut ZDF-"Politbarometer" fänden es nur 37 Prozent der Deutschen gut, wenn Seehofer Innenminister bleibt, 57 Prozent hielten das für schlecht.

Die Befragung fand statt, nachdem Seehofer im Streit um Zurückweisungen an der Grenze mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Clinch gegangen war. Dass Seehofer auf dem Höhepunkt dieses Streits mit Rücktritt drohte und Sätze sagte wie "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist" sorgte bei vielen für Kopfschütteln.

Seehofer und die CSU nehmen für sich in Anspruch, sie hätten jetzt eine "Asylwende" eingeläutet, sozusagen "den Schalter umgelegt" in Deutschland und Europa. Aber stimmt das auch?

"Diese Asylwende läuft schon seit Ende 2015 - und zwar maßgeblich befördert von der CSU", sagt die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat. Die CSU ist aus ihrer Sicht "eine Regierungspartei, die Opposition macht". Polat fordert: "Die Kanzlerin und die SPD müssen da eine Grenze ziehen." Einige in der Opposition nennen den Innenminister intern "Crazy Horst".

Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sieht das anders. Er findet die Vorschläge, die Seehofer in seinem "Masterplan Migration" vorgelegt hat, in der Summe gut. Schuster war mit seiner ständigen Kritik an dem, was er die "fast bedingungslose Willkommenskultur von 2015" nennt, in den Jahren 2016 und 2017 bei vielen Fraktionskollegen angeeckt. Heute hören sie zu, wenn er Vorschläge macht. Schuster sagt: "Wir befinden uns schon seit längerer Zeit in einem Anpassungsprozess."

Auch die SPD findet nicht alles schlecht, was Seehofer zum Thema Migration und Fluchtursachenbekämpfung plant. Was sie aber auf jeden Fall verhindern will, ist eine "Kasernierung von Asylbewerbern". Auch einen europäischen "Wettlauf nach unten" bei der von Seehofer geplanten "Angleichung der Aufnahmebedingungen und Asylleistungen" in den EU-Mitgliedstaaten, wollen sie nicht mitmachen.

Nach Auffassung der Grünen steckt in Seehofers "Masterplan" vieles, was nur mit zustimmungspflichtigen Gesetzen geregelt werden könnte. Deshalb hoffen die Grünen, dass sie im Bundesrat zumindest einige der geplanten weiteren Verschärfungen des Asylrechts verhindern können.

Doch Seehofer braucht für seine Pläne nicht nur den Bundesrat. Ohne Vereinbarungen mit Italien und Österreich wären wohl auch die Zurückweisungen, die er den Koalitionspartnern abgetrotzt hat, nicht machbar. Konkret geht es dabei um Asylbewerber, die in anderen EU-Staaten bereits Asylanträge gestellt haben.

Diese Woche hat Seehofer mit seinem österreichischen Amtskollegen Herbert Kickl und dem italienischen Innenminister Matteo Salvini beraten, wie man die EU-Außengrenzen dichtmachen kann. Außerdem ging es um Maßnahmen gegen die "Sekundärmigration". Das bedeutet, dass sich Migranten das EU-Land aussuchen, in dem sie einen Asylantrag stellen. Kickl ist Mitglied der rechten FPÖ. Salvini gehört der rechten Lega an. Im Juni sorgte Salvini mit dem Vorschlag für Empörung, alle in Italien lebenden Sinti und Roma zählen zu lassen. Die drei Innenminister legten nach ihrem Treffen für ein Foto die Hände übereinander, so als wollten sie einen Pakt schließen.

Wenn Seehofer Vereinbarungen mit Italien und Österreich aushandeln kann, wird man ihm diese Verbrüderungsgeste in Berlin vielleicht verzeihen. Kommt nichts heraus, könnte sie ihm aber genauso auf die Füße fallen, wie zuletzt seine flapsige Bemerkung zu den 69 Afghanen, die an seinem 69. Geburtstag abgeschoben wurden.

Das Gleiche gilt für den Fall des früheren Bin-Laden-Leibwächters. Sollte Sami A. wirklich, wie vom Gericht in Gelsenkirchen gefordert, nach Deutschland zurückgeschickt werden, würde das wohl nicht nur für die Landesregierung in Düsseldorf schlecht aussehen, sondern auch für Seehofer.

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