Freiwilligkeit sinnvoller Verkehrspsychologe hält Tablet-Verbot für Schnellschuss

Berlin · Um Verhaltensänderungen bei Verkehrsteilnehmern zu erreichen, ist nach Auffassung des Psychologen Karl-Friedrich Voss eine freiwillige Gewöhnungsphase nötig. Solange es keine Einsicht gebe, seien Verbote nicht sinnvoll.

Das von Verkehrsminister Dobrindt (CSU) angedachte Tablet-Verbot am Steuer von Autos ist nach Ansicht des Psychologen Karl-Friedrich Voss ein Schnellschuss. Im dpa-Interview erläutert der Vorsitzende des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen seine Einschätzung.

Frage: Wieso benutzen wir Handys oder andere technische Geräte am Steuer, obwohl wir doch wissen, dass das verboten und gefährlich ist?

Antwort: Die Gefahr am eigenen Leibe ist etwas anderes, als das, was man in der Zeitung liest. Viele Menschen neigen dazu, eine Grenze zu ziehen zwischen sich und den anderen nach dem Motto: Für die anderen mag es sinnvoll sein, wenn sie damit nicht umgehen können. Aber für die eigene Person zählt meist nur die unmittelbare Erfahrung, das sogenannte Tatsachenerlebnis. Erst wenn die Tatsache eingetreten ist, kann bei solchen Personen ein Umdenken eintreten.

Frage: Welchen Sinn haben Verbote?

Antwort: Wenn die Einsicht fehlt, haben sie keinen Sinn. Es gibt zum Beispiel bei Autobahnbaustellen manchmal noch Tempolimits zur Herstellung der Rechtssicherheit, obwohl die Arbeiten schon längst erledigt sind. Das versteht kein Menschen, und das wird dann auch kaum befolgt.

Frage: Aber bei der Anschnallpflicht ist es gelungen, die Autofahrer auf breiter Front zum Umdenken zu bringen. Was ist da passiert?

Antwort: Diese Geschichte wurde sehr geschickt eingefädelt. Es gab erst die Gurteinbaupflicht, und als sich eine bestimmte Quote freiwillig angeschnallt hat, hat man dann 1984 die Gurtanlegepflicht eingeführt. Man hat aus einem verbreiteten Verhalten ein Prinzip gemacht. Das ist ein übliches Vorgehen des Verkehrsministeriums. Bei seinem Vorstoß mit den Tablets weicht es von dieser Erfolgsstrategie ab. Es fehlt jetzt eine Phase, in der sich die Autofahrer von sich aus an solche Restriktionen gewöhnen. Ich halte das für einen Schnellschuss. Zudem hat der Minister die Freisprechanlagen vergessen. Da ist man nämlich genauso abgelenkt. Die Ablenkung kommt davon, dass akustische Signale schneller wahrgenommen werden als visuelle. Aber zum Autofahren braucht man nun mal visuelle Signale.

ZUR PERSON: Der promovierte Psychologe Karl-Friedrich Voss ist Vorsitzender des Bundesverbands Niedergelassener Verkehrspsychologen. Er praktiziert in Hannover und Hann. Münden (Niedersachsen).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort