Türkei erklärt Friedensprozess mit Pkk für beendet

Brüssel/Ankara · Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat unmittelbar vor einer Nato-Sondersitzung den Friedensprozess mit den Kurden für beendet erklärt.

 "Es ist nicht möglich einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben": Recep Tayyip Erdogan. Foto: Tim Brakemeier

"Es ist nicht möglich einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben": Recep Tayyip Erdogan. Foto: Tim Brakemeier

Foto: DPA

"Es ist nicht möglich, einen Lösungsprozess fortzuführen mit denjenigen, die die Einheit und Integrität der Türkei untergraben", sagte Erdogan in Ankara. Die Aufkündigung stieß bei westlichen Partnern sowohl auf Zustimmung als auch Kritik.

In einer bereits vorab abgestimmten gemeinsamen Erklärung betonte das westliche Militärbündnis Nato, dass sich die Türkei auf die Solidarität der Alliierten verlassen könne. Militär-Unterstützung habe Ankara bisher nicht angefordert, hieß es.

Ankara hatte die Verbündeten nach Teilnehmerangaben vor der Sondersitzung nicht über die geplante Ankündigung Erdogans zur PKK informiert. Eine Reihe von Nato-Staaten forderte die türkische Regierung nach Angaben aus Teilnehmerkreisen mehr oder weniger deutlich auf, im Umgang mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK die militärischen Mittel angemessen einzusetzen, um die Tür für eine Fortsetzung des Friedensprozesses offenzuhalten.

Als deutlichster Fürsprecher Ankaras stuft die US-Regierung die türkischen Luftangriffe auf die kurdische Arbeiterpartei PKK im Nordirak als einen eindeutigen Akt der Selbstverteidigung ein. "Wenn die PKK die Angriffe in der Türkei nicht gestartet hätte, würden sie (die Türken) die PKK auch nicht im Irak angreifen", sagte ein ranghoher Regierungsvertreter am Dienstag in Washington.

Der Irak kritisierte die türkischen Luftangriffe als gefährliche Eskalation und Verletzung seiner Souveränität. Der Irak fühle sich seinerseits verpflichtet, Angriffe auf die Türkei von irakischem Boden aus zu unterbinden, twitterte Regierungschef Haider al-Abadi.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mahnte in einem Telefonat mit ihrem türkischen Kollegen Vecdi Gönül, in diesem Prozess die Verhältnismäßigkeit zu wahren. "Der gemeinsame Kampf gegen den Islamischen Staat muss unser gemeinsames Ziel sein", erklärte die CDU-Politikerin. Der Einsatz der Bundeswehr im Süden der Türkei werde nun "sehr sorgfältig" beobachtet. Die Sicherheit der Soldaten müsse "absolute Priorität" haben. Die Bundeswehr hat auf Wunsch der Türkei "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt stationiert. Sie sollen den Nato-Partner vor Luftangriffen aus Syrien schützen.

In der Türkei hat es seit vergangener Woche mehrere Terroranschläge mit Dutzenden Toten gegeben. Die blutigste Attacke in Suruc mit mehr als 30 Toten schrieb Ankara dem IS zu. Die PKK bekannte sich später zu Anschlägen auf türkische Sicherheitskräfte, denen sie vorwarf, mit dem IS bei dem Anschlag von Suruc kooperiert zu haben. Die Türkei flog in der Folge erstmals Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien, aber auch auf das PKK-Hauptquartier im Nordirak. Die Kurden erklärten die seit 2013 geltende Friedensvereinbarung mit der Regierung in Ankara daraufhin für nichtig.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte nach dem Treffen, die Türkei fordere vorerst keine militärische Unterstützung im Kampf gegen die Terrormiliz IS. Die Türkei verfüge über "sehr fähige Streitkräfte (...) Das ist die zweitgrößte Armee in der Allianz.".

Das Nato-Sondertreffen war von Ankara unter Berufung auf Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragt worden. Dieser sieht Konsultationen vor, wenn ein Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sei.

Ankara sieht die PKK - wie den IS - als Terrororganisation an. Das gilt auch für die mit der PKK verbundenen kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), die in Syrien den IS bekämpfen und damit Verbündete der USA sind. Die türkische Führung befürchtet die Gründung eines Kurdenstaats, der die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei beflügeln könnte.

Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP warf Erdogan vor, die chaotische Situation ausnutzen zu wollen, um seine Macht zu erhalten. Bei immer wahrscheinlich werdenden Neuwahlen spekuliere Erdogan auf einen Stimmenzuwachs für die islamisch-konservative AKP, die bei der Parlamentswahl am 7. Juni ihre absolute Mehrheit verloren hatte.

Grüne und Linke in Deutschland verurteilten das Vorgehen Erdogans scharf. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem Sender MDR Info, tatsächlich gehe es Ankara darum, die PKK zu kriminalisieren und die HDP zu marginalisieren. Erdogan wolle sein Land innenpolitisch ins Chaos stürzen und sich dann als Retter präsentieren. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) nannte Erdogans Vorgehen unverantwortlich und sprach von einem schweren Rückschlag für die demokratische Türkei.

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