Fast ein Ersatzparlament Trumps Sieg hat enorme Folgen für das höchste US-Gericht

Washington · Kontrolle total für Donald Trump? Nach seinem Wahlsieg hat der Republikaner auch die Chance, die Richtung des Supreme Court auf lange Sicht zu prägen. Eine doppelt bittere Pille für die Demokraten.

Verfechter des Abtreibungsrechts sind alarmiert, und nicht nur sie. Wenn Donald Trump in die Washingtoner Pennsylvania Avenue umzieht, kann er sich nicht nur auf einen republikanisch beherrschten Kongress stützen.

Er hat auch die Gelegenheit, gleich zu Beginn seiner Amtszeit einen leeren Platz im neunköpfigen höchsten US-Gericht zu besetzen. Das mag wenig aufregend klingen, aber es ist eine Entscheidung, die sich immens auf den künftigen Kurs des Landes auswirken kann, ganz im Sinne der Republikaner.

Vielleicht ist es sogar der erste Schritt zur totalen Kontrolle. Das Weiße Haus, beide Kongresskammern, der Supreme Court: alles konservativ dominiert, und zumindest im Fall des Obersten Gerichts auf lange Sicht zementiert - so eine Gelegenheit bietet sich einem Präsidenten selten. Nicht umsonst hat die Frage der künftigen Zusammensetzung des Supreme Court im Wahlkampf auch eine große Rolle gespielt. Mehr als 20 Prozent der Wähler gaben in Umfragen vor dem 8. November an, dass das Thema ihr Votum mitentscheiden oder gar entscheiden werde.

Worum geht es? Im Februar, mitten im Wahlkampf also, war überraschend Richter Antonin Scalia gestorben - so etwas wie ein erzkonservatives Urgestein, eine Ikone für Abtreibungsgegner, Waffenliebhaber und Todesstrafenbefürworter. Der demokratische Präsident Barack Obama nominierte einen Nachfolger, den moderat liberalen Berufungsrichter Merrick Garland.

Aber die Republikaner mauerten, gewährten dem hoch angesehenen Juristen nicht einmal eine einzige Anhörung im Senat, der einer Berufung hochrangiger Bundesbediensteten zustimmen muss. Die Nominierung eines Scalia-Nachfolgers müsse dem nächsten Präsidenten überlassen bleiben, argumentierten sie - eine Strategie, die sich bewährte.

Vor Scalias Tod gab es vier konservative und vier liberale Richter im Supreme Court, mit dem gemäßigt-konservativen Anthony Kennedy in der Mitte, häufig das Zünglein an der Waage. In wichtigen sozialen Fragen stimmte er meistens mit den progressiveren Kollegen: Ruth Bader Ginsburg, Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan. So war das zum Beispiel, als der Supreme Court 2015 Homoehen legalisierte oder dieses Jahr ein Gesetz verbot, dass Frauen in Texas Abtreibungen erschwert hätte.

Mit Garland wären die Demokraten nicht mehr unbedingt auf Kennedy angewiesen gewesen. Jetzt aber ist ihr Traum von einer liberalen Mehrheit im Gericht geplatzt. Und es könnte - und wird wahrscheinlich - noch schlimmer kommen. Die Richter im Supreme Court werden auf Lebenszeit bestimmt. Die gesundheitlich schwer angeschlagene Ginsburg ist 83, Breyer 78, und Kennedy 80 Jahre alt. Scheidet auch nur einer von ihnen während seiner Amtszeit aus, könnte Trump eine konservative Mehrheit im Supreme Court besiegeln.

So hatten Justizkreise Ginsburg in der Vergangenheit auch zum Rücktritt aufgerufen, um Obama eine Gelegenheit zu geben, einen Nachfolger zu platzieren. Aber sie winkte ab und zeigte sich unlängst noch überzeugt davon, dass auch keine Eile bestehe: So fest ging sie davon aus, dass die Demokratin Hillary Clinton die Wahl gewinnen werde.

Abtreibungsbefürworter befürchten, dass eine deutliche konservative Verschiebung im Supreme Court zu einem Vorstoß führen würde, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch oder auch die gesetzlich verankerte Minderheitenförderung bei der Zulassung zu Universitäten einzuschränken. Trump selber hatte nach Garlands Nominierung die Parole ausgegeben: "Verzögern, verzögern, verzögern."

Eine Liste mit eigenen Kandidaten ließ er schon im Wahlkampf zusammenstellen: Sie sind sämtlich stramm konservativ.

Das alles wäre nicht so gravierend, hätte das Gericht in diesem Land mit sehr klagefreudigen Bürgern nicht traditionell eine ungewöhnlich starke Rolle. Es ist beispiellos, wie oft es in aktuellen Auseinandersetzungen um Gesetze oder auch Verfügungen das letzte Machtwort hat.

Wer sich mit einer politischen Maßnahme - wie etwa im Fall Obamacare - einfach nicht abfinden will, läuft von Pontius zu Pilatus, sprich von einer gerichtlichen Instanz zur nächsten, bis zum Supreme Court.

Verschärft wird das dadurch, dass der Kongress wegen seiner politischen Polarisierung über weite Strecken nur begrenzt funktionsfähig ist. Kompromisse sind schwer zu erreichen, und wer verliert, zieht vor den Kadi. Das hat das Gericht zu einer Art Ersatzparlament gemacht.

Für die Demokraten ist es doppelt bitter, dass sie Garland nicht vor der Wahl platzieren konnten. Die monatelange Pattsituation im Gericht führte dazu, dass von Obama verfügte Restriktionen bei der Abschiebung illegaler Immigranten gestrichen wurden. Bei einem Unentschieden hat jeweils die Entscheidung der zuletzt eingeschalteten Instanz Bestand.

Nun schwant den Demokraten noch Böseres, zumal Trump schon klar gemacht hat: Wer Scalia nachfolgt, soll vom selben Schlage sein wie der Vorgänger. Und das sagt alles.

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