"Zeuge des Glaubens" Tod eines Brückenbauers: Trauer um Kardinal Lehmann

Mainz · Sein Tod hinterlässt eine gewaltige Lücke: Kardinal Lehmann prägte über Jahrzehnte die katholische Kirche. Die Hoffnung ist allerorten groß, dass sein geistliches Erbe bleibt.

Brückenbauer, Reformer, Menschenfreund - der Tod des Mainzer Kardinals Karl Lehmann hat in Kirchen, Politik und Gesellschaft Betroffenheit ausgelöst.

Der Geistliche, der seit September mit den Folgen eines Schlaganfalls gekämpft hatte, starb nach Angaben des Bistums am frühen Sonntagmorgen im Alter von 81 Jahren in seinem Haus in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt.

Als Bischof von Mainz (1983-2016) und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (1987-2008) prägte der gebürtige Sigmaringer die katholische Kirche weit über Mainz hinaus . "Er war einer der wichtigen Brückenbauer zwischen den Konfessionen und Religionen", würdigte ihn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. "Er war ein Mann klarer Worte, der bei aller Nachdenklichkeit und Konzilianz auch die politische Kontroverse nicht scheute, wenn es um zentrale Fragen des Zusammenlebens in Staat und Gesellschaft ging."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von "tiefer Dankbarkeit" für viele Begegnungen: "Er hat mich mit seiner intellektuellen und theologischen Kraft begeistert und war dabei immer auch ein Mensch voll bodenständiger Lebensfreude." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker befand: "Er war Europa ... Zeit seines Lebens hat Kardinal Lehmann Brücken der Menschlichkeit und der Solidarität in und für Europa gebaut."

Lehmann war nach seinem Schlaganfall im Herbst zunächst in einem Krankenhaus behandelt worden und wurde seit Dezember im Bischofshaus in Mainz versorgt. Am 5. März dieses Jahres hatte sein Nachfolger auf dem Bischofsstuhl, Peter Kohlgraf, die Gläubigen zum Gebet für den Kardinal aufgerufen - der Geistliche habe selbst signalisiert, dass er sich "auf den Weg macht".

Am Sonntagmorgen gegen 4.45 Uhr habe Gott ihn zu sich gerufen, teilte das Bistum mit: "Das Bistum Mainz trauert um einen weit über die Kirche hinaus hoch anerkannten Theologen und Seelsorger, einen leidenschaftlichen Brückenbauer zwischen den Konfessionen und einen Zeugen des Glaubens inmitten der Gesellschaft." Mit Lebensfreude, Menschlichkeit und Glaubenszeugnis habe Lehmann über viele Jahre hinweg herausragend gewirkt, würdigte Kohlgraf.

Beigesetzt werden soll Lehmann am 21. März in der Bischofsgruft des Mainzer Doms. Vom kommenden Dienstag (13.3.) an wird sein Leichnam in der Kirche des Mainzer Priesterseminars aufgebahrt, um der Bevölkerung Gelegenheit zum Abschiednehmen von dem beliebten Katholiken zu geben.

Am Sonntag läutete zu Ehren Lehmanns die größte Domglocke in Mainz für eine halbe Stunde. Zur gleichen Zeit läuteten nach Angaben eines Bistumssprechers auch viele der 303 Pfarreien in Rheinland-Pfalz und Hessen die Kirchenglocken. Das Bistum Mainz umfasst Gebiete in Hessen und Rheinland-Pfalz sowie die Exklave Wimpfen in Baden-Württemberg.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, Lehmann habe "Maßstäbe für einen weltoffenen Katholizismus gesetzt". Dabei nannte sie das Engagement des Kardinals für die Aufnahme von Flüchtlinge und zum kirchlichen Beistand für schwangere Frauen in Gewissenskonflikten. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte: "Kardinal Lehmann wird dieser Welt als authentischer Repräsentant und Erneuerer der katholischen Kirche fehlen."

Mit Betroffenheit und Trauer nahm die Deutsche Bischofskonferenz die Nachricht vom Tod Lehmanns auf. "Ein großer Theologe, Bischof und Menschenfreund geht von uns", sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der Bischofskonferenz und Erzbischof von München und Freising. Mit Lehmann gehe ein warmherziger und menschlicher Bischof von großer Sprachkraft. "Die Kirche in Deutschland verneigt sich vor einer Persönlichkeit, die die katholische Kirche weltweit wesentlich mit geprägt hat."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, würdigte Lehmann als Wegbereiter für die Annäherung beider Kirchen. Lehmann habe ein "weltweit beachtetes Zeichen für die Verständigung der beiden großen Konfessionen", schrieb der bayerische Landesbischof in einen Brief an Kohlgraf.

Im Mai 2016 war Lehmann mit 80 Jahren in den Ruhestand gegangen. Er hatte den Papst aus Altersgründen darum gebeten, seinen Dienst als Bischof zu beenden. Zu seinem Abschied kamen rund 1200 Menschen in den Mainzer Dom. Im August 2017 trat Kohlgraf seine Nachfolge an - das war der letzte öffentlicher Auftritt von Lehmann.

Lehmann bezog in vielen Debatten klar Stellung - zum Beispiel mit seinem gemäßigt liberalen Kurs bei der Schwangeren-Konfliktberatung und bei wiederverheirateten geschiedenen Katholiken. Er setzte sich für ein Diakonenamt für Frauen ein. Lehmann zeigte sich beunruhigt über die AfD und hielt sie aus christlicher Sicht nicht für wählbar. Für seine Verdienste um die Verständigung zwischen den christlichen Kirchen ehrte ihn die Evangelische Kirche in Deutschland 2016 als ersten katholischen Träger mit der Martin-Luther-Medaille.

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