Porträt der Premierministerin Theresa May: "Eine verdammt schwierige Frau"

London · Die britische Premierministerin ist weder charismatisch noch gut darin, Kompromisse zu schmieden. Trotzdem hat sie sich als erstaunlich langlebige Anführerin erwiesen.

 Zum Lachen oder zum Weinen? Die britische Premierministerin Theresa May steht von allen Seiten unter größtmöglichem Druck.

Zum Lachen oder zum Weinen? Die britische Premierministerin Theresa May steht von allen Seiten unter größtmöglichem Druck.

Foto: Matt Dunham/PA Wire

Theresa Mays großer Lebenstraum war es von klein auf, Premierministerin zu werden. Das war der Pfarrerstochter aus der Provinz nicht unbedingt in die Wiege gelegt.

Ehrgeizig, aber niemals charismatisch arbeitete sich die inzwischen 62 Jahre alte Politikerin Stück für Stück hoch. Im Juli 2016 nach dem knappen Brexit-Votum der Briten hatte sie ihr Ziel erreicht: Sie beerbte den zurückgetretenen David Cameron.

Oft wurde May mit der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher oder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel verglichen. Doch keiner dieser Vergleiche trifft zu. May ist weder eine mitreißende Anführerin, die auf den Tisch haut, noch ist sie geschickt darin, Kompromisse zu schmieden. Ihre Stärke liegt eher darin, nie aufzugeben. Sie selbst bezeichnete sich einmal als "bloody difficult woman", als eine verdammt schwierige Frau.

Unter ihrem Vorgänger Cameron hatte sie sich als Innenministerin einen Namen gemacht, die eine harte Linie gegen illegale Einwanderer fährt. Ihre Politik wurde als "hostile environment" - "feindliche Umgebung" bekannt, bei der Arbeitgeber, Vermieter und Ärzte illegal ins Land gekommenen Menschen das Leben schwer machen sollten. Sechs Jahre hielt sie es auf dem Posten aus, der oft als Schleudersitz bezeichnet wird.

Beim Brexit-Referendum im Jahr 2016 hatte sie sich für den Verbleib in der EU ausgesprochen, aber so zaghaft, dass es kaum jemand merkte. Das machte sie zur idealen Kompromisskandidatin. May schlug von Anfang an einen harten Brexit-Kurs ein. "Brexit bedeutet Brexit" wurde zu ihrem Mantra. Was sie damit meinte, machte sie in ihrer ersten großen Rede nach dem Referendum zum EU-Austritt Anfang 2017 deutlich: Austritt aus dem EU-Binnenmarkt, Austritt aus der Zollunion und keine Rolle mehr für den Europäischen Gerichtshof in Großbritannien.

Viele EU-Politiker und EU-freundliche Briten hatten gehofft, May könne zur Versöhnerin werden, einen Mittelweg finden, der Brexit-Befürworter und europafreundliche Briten wieder zusammenbringt. Dass sie für ihre Brexit-Pläne im Parlament keine Mehrheit sah, wollte May schließlich mit einer Neuwahl ins Lot bringen. Sie rechnete sich einen Erdrutschsieg gegen den Labour-Chef, den Altlinken Jeremy Corbyn aus, der ständig mit Revolten in seiner eigenen Fraktion zu kämpfen hatte. Doch es kam anders. Der Wahlkampf wurde zum Desaster.

May wollte sich als starke Anführerin präsentieren. Doch ihr oft einstudiertes Auftreten ließ sie als kalt erscheinen. Mantrahaft sagte sie Sätze wie "Das Land braucht eine starke und stabile Regierung" und "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal". Bald wurde sie als "Ice Maiden" (Eisjungfer) und "Maybot" (eine Mischung aus May und Roboter) verspottet.

Statt einen haushohen Sieg einzufahren, verloren Mays Konservative ihre absolute Mehrheit. Eiligst zimmerte sie eine Minderheitsregierung mit Hilfe der nordirisch-protestantischen DUP (Democratic Unionist Party) zusammen. Das erwies sich am Ende als verhängnisvoll, weil die DUP-Abgeordneten jeglichen Kompromiss in der schwierigen Irland-Frage ablehnten.

Nach einer katastrophalen Parteitagsrede im Herbst 2017 wurde sie bereits abgeschrieben. Sie litt unter Hustenanfällen, ein Komiker überreichte ihr ein Entlassungsschreiben, angeblich im Namen des damaligen Außenministers Boris Johnson, und hinter ihr fielen die Buchstaben des Parteitagsmottos von der Wand. Doch May rappelte sich wieder auf. Ende des Jahres erreichte sie ein Etappenziel mit der ersten Phase der Brexit-Gespräche.

Nachdem es danach monatelang bei den Brexit-Verhandlungen nur schleppend voranging, wagte sich May im Juli 2018 aus der Deckung. Sie überraschte ihr Kabinett in einer Klausursitzung auf dem Landsitz Chequers mit einem Plan für die künftigen Beziehungen zu Europa, der alles möglich machen sollte: klarer Austritt aus den EU-Institutionen, aber keine wesentliche Nachteile für die Wirtschaft und keine Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland.

Mit dem Vorschlag war niemand zufrieden. Weder die EU, die ihn als Rosinenpicken verurteilte noch die Brexit-Hardliner in Mays Partei, die darin eine zu enge Bindung an Brüssel sahen. Brexit-Minister David Davis und Außenminister Boris Johnson traten zurück. Mays Regierung wackelte, aber sie klammerte sich fest.

Ähnlich war es, als sie im November schließlich ein Abkommen mit der EU präsentierte. Ihr neuer Brexit-Minister Dominic Raab und weitere Regierungsmitglieder warfen hin. Doch May ließ sich nicht beirren. Die Stunde der Wahrheit wäre eigentlich am Dienstag gekommen, als Mays Brexit-Deal den Abgeordneten vorgelegt werden sollte. Doch die Regierungschefin verschob die Abstimmung kurzfristig. May klammert weiter.

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