Neue Projekte Strategien gegen den Fachkräftemangel

Die Kreishandwerkerschaft startet neue Projekte, um die vielen freien Ausbildungsstellen zu besetzen. Björn Lange sprach im Interview mit Kreishandwerksmeister Thomas Radermacher und Alois Blum, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg.

 Auf der Suche nach Auszubildenden für's Handwerk: Thomas Radermacher (l.) und Alois Blum. FOTO: LANGE

Auf der Suche nach Auszubildenden für's Handwerk: Thomas Radermacher (l.) und Alois Blum. FOTO: LANGE

Foto: Björn Lange

General-Anzeiger: Herr Radermacher, Herr Blum, im Bezirk der Kreishandwerkerschaft Bonn/Rhein-Sieg sind zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt. Auf der anderen Seite sind in den vergangenen zwei Jahren viele junge Flüchtlinge in die Region gekommen, die die Lücke zumindest teilweise schließen könnten?

Thomas Radermacher: Diese jungen Menschen stellen ein großes Potential für das Handwerk dar, auf der anderen Seite kann das Handwerk ihnen bei der Integration helfen. Aber die Politik und die Wirtschaft haben es unterschätzt, wie lange die Integration in den Arbeitsmarkt braucht. Es ist leider nicht möglich, unmittelbar alle freien Ausbildungsplätze 1 zu 1 mit Geflüchteten zu besetzen.

Alois Blum: Aber jetzt sind wir einen großen Schritt weiter als vor einem Jahr: Sobald festgestellt wurde, dass ein Flüchtling anerkannt beziehungsweise geduldet ist und bleiben darf, besucht er einen Sprachkurs möglichst mit der B1-Qualifikation. Denn es ist elementar, nicht nur für die Berufsausübung, dass er in den Grundzügen die deutsche Sprache beherrscht. Die ersten Flüchtlinge haben diese Sprachkurse durchlaufen und sind jetzt fit für ein Einstiegsqualifizierungsjahr (EQJ). Während dieses Jahres lernen sie einen Betrieb und das ausgewählte Berufsbild intensiv kennen. Im besten Fall mündet das EQJ in ein originäres Ausbildungsverhältnis.

GA: Das EQJ ist ja nicht neu. Bisher haben vor allem schwer vermittelbare Jugendliche davon profitiert.

Radermacher: Richtig. Insofern werden Flüchtlinge nicht bevorzugt behandelt, sondern durchlaufen das übliche Programm.

Blum: Im August startet eine Kooperation zwischen der Agentur für Arbeit und der Kreishandwerkerschaft, in der wir zwölf jungen Flüchtlingen die Chance geben wollen, das Friseurhandwerk kennenzulernen. Im Rahmen einer vertieften Berufsorientierung werden sie zunächst neun Wochen lang in der Friseurwerkstatt unseres Bildungszentrums in Siegburg in der Praxis unterwiesen, dann geht jeder in einen Praktikumsbetrieb. Die Betriebe sollen danach die jungen Menschen über ein EQJ in die Ausbildung nehmen mit dem Ziel, die Ausbildung auch abzuschließen.

GA: Ein schönes Projekt. Lässt es sich auch auf andere Gewerke anwenden?

Blum: Das hoffen wir. Im Bezirk der Handwerkskammer zu Köln bereiten wir derzeit ein weiteres Projekt vor, das Berufs-Abitur. Es handelt sich um ein Pilotprojekt mit Elektronikern, das vom Heinrich-Hertz-Europakolleg in Bonn begleitet wird. Die Ausbildung dauert vier statt dreieinhalb Jahre, aber die Absolventen erwerben neben dem Gesellenbrief auch das Abitur und damit die Hochschulzugangsberechtigung. Die Hälfte der Ausbildungsdauer findet im Betrieb und im Bildungszentrum der überbetrieblichen Ausbildung statt, die andere Hälfte im Berufskolleg.

Radermacher: Wir sind gespannt, wie die Jugendlichen und die Betriebe dieses Angebot annehmen. Im August soll es losgehen.

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