Nach Sondierungen für Koalition SPD-Führungsleute fordern viele Änderungen

Berlin · Mehr als 24 Stunden haben die Sondierer in der Schlussrunde miteinander gerungen. Dann stand die Sondierungsvereinbarung. Doch ungewissen Votums der SPD-Basis wird in der Partei nun der Ruf nach Nachbesserungen laut.

Unterhändler: SPD-Vize Ralf Stegner, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) am Rande der Sondierungsgespräche.

Unterhändler: SPD-Vize Ralf Stegner, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) am Rande der Sondierungsgespräche.

Foto:  Kay Nietfeld

Führende Sozialdemokraten fordern deutliche Änderungen am Sondierungsergebnis für eine neue große Koalition, stoßen in der Union aber auf Widerstand. Berlins Bürgermeister Michael Müller positionierte sich zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot „sehr kritisch“, wie er im „Tagesspiegel am Sonntag“ sagte. Er finde im Papier von Union und SPD zwar „gute Ansätze“ in der Bildungspolitik und für bessere Arbeit und Ausbildung, erklärte das SPD-Präsidiumsmitglied. Aber: „Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht.“ Müller fügte hinzu: „Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also.“ Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition ohne entscheidende Veränderungen überzeuge ihn nicht.

Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner pochte auf ein Verbot von Job-Befristungen ohne sachlichen Grund. „Ich bin für Koalitionsverhandlungen. Eine Koalition aber bilden sollte die SPD nur, wenn auch die sachgrundlose Befristung fällt“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Diesen Punkt sollte der SPD-Parteitag am 21. Januar klarmachen.“

Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnt weitere Zugeständnisse an die SPD aber ab und pocht auf strikte Einhaltung der Sondierungsergebnisse: „Natürlich gilt alles. Die von allen Delegationen einstimmig beschlossene Sondierungsvereinbarung ist mit 28 Seiten doch fast schon ein Koalitionsvertrag“, sagte der bayerische Finanzminister der „Bild am Sonntag“. „Auch die SPDhat dabei viel erreicht.“ Weniger werbend äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in der selben Zeitung: SPD-Chef „Martin Schulz muss jetzt zeigen, dass die SPD ein verlässlicher Koalitionspartner sein kann und er den Zwergenaufstand in Griff bekommt.“

Söder kritisierte zugleich die Gegner einer großen Koalition in der SPD. „Sie schmoren offenkundig lieber im eigenen Saft, anstatt sich um die Anliegen der Menschen zu kümmern. Es mag sein, dass einige Funktionäre im Elfenbeinturm sich mehr Ideologie gewünscht hätten, aber der frühere klassische SPD-Wähler kann mit dem Ergebnis zufrieden sein“, sagte er. „Wer Angst vor der eigenen Verantwortung hat, der wird auf Dauer beim Wähler nicht erfolgreich sein.“

Die SPD lässt am 21. Januar erstmals nach Sondierungsgesprächen einen Bundesparteitag über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden. Falls der Parteitag den Weg für Verhandlungen frei macht, stimmen am Ende noch die Mitglieder in ihrer Gesamtheit über den dann auszuhandelnden Koalitionsvertrag ab. Bei der ersten Basisbefragung über das Sondierungsergebnis sprach sich am Samstag auf einem Landesparteitag der SPDSachsen-Anhalts in Wernigerode eine hauchdünne Mehrheit gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot aus.

Dagegen wünscht sich einer Umfrage zufolge eine Mehrheit der Bürger, dass der SPD-Parteitag Verhandlungen zustimmt. Entsprechend äußerten sich in der Infratest-dimap-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ 60 Prozent der 500 Befragten, 30 Prozent wollen das nicht. 10 Prozent waren sich unsicher oder machten keine Angabe. Dass CDU/CSU und SPD in ihren Vorgesprächen vereinbart haben, keine Steuern zu erhöhen, finden 71 Prozent richtig (dagegen: 20 Prozent). Dass mehr Geld an die EU fließen soll, finden 53 Prozent falsch (richtig: 37).

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