"Menschlich enttäuscht" Seehofer versetzt Maaßen in den einstweiligen Ruhestand

Berlin · Der Druck auf Horst Seehofer war immer weiter gewachsen. Nun trennt er sich von Geheimdienst-Chef Maaßen. Leicht gefallen ist ihm die Entscheidung nicht. Ist die Sache damit für ihn ausgestanden?

 Der Streit um Hans-Georg Maaßen hatte im September eine Koalitionskrise ausgelöst, die fast zum Bruch der Regierung geführt hätte.

Der Streit um Hans-Georg Maaßen hatte im September eine Koalitionskrise ausgelöst, die fast zum Bruch der Regierung geführt hätte.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Seehofer sagte am Montag in Berlin, das am Vortag öffentlich bekannt gewordene Manuskript einer Abschiedsrede Maaßens enthalte "inakzeptable Formulierungen". Aus diesem Grund sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich .

Bis zur förmlichen Entscheidung des Bundespräsidenten über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand sei der Verfassungsschutzpräsident von seinen Aufgaben entbunden, sagte Seehofer. Maaßens bisheriger Stellvertreter Thomas Haldenwang soll vorläufig seine Aufgaben übernehmen, bis zeitnah im Kabinett über die Nachfolge entschieden werde. Ungeachtet der Entlassung Maaßens hält die Kritik an Seehofer selbst aber an.

Grund für dessen Entscheidung war eine Rede Maaßens am 18. Oktober vor internationalem Geheimdienst-Publikum, in der er laut Manuskript von teilweise "linksradikalen Kräften in der SPD" geprochen hatte, die nach den Ereignissen von Chemnitz einen Bruch der großen Koalition provozieren wollten. Sich selbst bezeichnete Maaßen als Kritiker einer "naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik". Seehofer nannte dies eine "Grenzüberschreitung". Natürlich sei er in diesem Zusammenhang auch "ein Stück weit menschlich enttäuscht", sagte er.

"Vor diesem Hintergrund ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von ihm mit mir, aber auch mit allen Beteiligten in welcher Funktion auch immer nicht mehr möglich." Die Entscheidung gelte trotz "unbestrittener Verdienste" Maaßens. Sie sei auch als Signal zu verstehen, die "sachorientierte Arbeit der Koalition zu unterstützen und voranzutreiben".

In Chemnitz war am 26. August ein 35-jähriger Deutscher mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden, danach kam es zu Protesten und rechtsextremistischen Übergriffen. Maaßen bezweifelte damals die Echtheit eines Videos, das eine ausländerfeindliche Attacke auf Migranten zeigt. In seiner Rede in Warschau bekräftigte er nun diese Einschätzung, die er vorher nach Seehofers Worten mehrfach bedauert habe.

In dem Warschauer Redemanuskript Maaßens, das der dpa und anderen Medien vorlag, heißt es unter anderem: "Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien "Hetzjagden" frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland." Er habe damals klargestellt, dass es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Chemnitz keine derartigen rechtsextremistischen Hetzjagden gegeben habe.

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im September zunächst darauf verständigt, dass Maaßen wegen seiner umstrittenen Äußerungen als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln sollte. Nach einer Welle der Empörung beschlossen sie dann, dass der 55-Jährige im Innenministerium im Rang eines Abteilungsleiters für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein sollte. Auch diese Einigung war nach den jüngsten Äußerungen Maaßens nicht mehr zu halten.

Laut Beamtenversorgungsgesetz erhält Maaßen nun für maximal drei Jahre 71,75 Prozent seines aktuellen Gehalts von rund 11.500 Euro im Monat. Danach orientieren sich die Versorgungsansprüche an den geleisteten Dienstjahren.

Wegen Maaßens Rede war auch der Druck auf Seehofer seit dem Wochenende immer weiter gewachsen. Kanzlerin Angela Merkel ließ am Montag über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären, sie gehe davon aus, dass Seehofer "zeitnah die angemessenen Entscheidungen trifft".

SPD-Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz begrüßte die Abberufung als richtig und überfällig. Maaßen habe offenbar nicht verstanden, dass die Aufgabe eines Verfassungsschutzpräsidenten es ist, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger voranzubringen und nicht mit kruden Theorien durch die Gegend zu laufen. Die Entscheidung ist richtig, die jetzt getroffen wurde - schade, dass es erst jetzt der Fall ist."

Grünen-Chef Robert Habeck warf Maaßen vor, mit seiner Kritik an der SPD und den Medien rechtspopulistische Formulierungen zu gebrauchen. "Das ist reinster AfD-Sprech" sagte Habeck. "Wir haben also einen Verfassungsschutzchef in Deutschland über Jahre gehabt, der offensichtlich Verschwörungstheorien verfolgt." FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte, die Entscheidung hätte viel früher fallen müssen. Seehofer wirke "überfordert in seinem Amt".

Weitere Infos

  • Nachdem sich Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen in einer Abschiedsrede als Opfer linksradikaler Kräfte in der SPD dargestellt hat, versetzt Innenminister Horst Seehofer (CSU) den Spitzenbeamten in den einstweiligen Ruhestand. Damit hat der 55-Jährige Anspruch auf ein Ruhegehalt. Für mindestens drei Monate wird ihm laut Deutschem Beamtenbund aber zunächst sein Gehalt weiter ausgezahlt.

Laut Beamtenversorgungsgesetz erhält ein politischer Beamter wie Maaßen für maximal drei Jahre 71,75 Prozent seines aktuellen Gehalts. Danach orientieren sich die Versorgungsansprüche an den geleisteten Dienstjahren. Derzeit verdient Maaßen als Präsident des Verfassungsschutzes gut 11.500 Euro im Monat.

Eine Entlassung, die auch zum Verlust der Ansprüche auf Dienstbezüge geführt hätte, war nach Angaben des Verwaltungswissenschaftlers Ulrich Battis abwegig. "Entlassen kann man einen Beamten auf Lebenszeit nur durch ein Gerichtsurteil", sagt Battis. Diese Entscheidung könne nur ein Verwaltungsgericht treffen.

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