Brauch des Hahneköppens Rheinischer Mythos vom gallischen Hahn im Kreis Ahrweiler

KREIS AHRWEILER · Das Hahneköppen hat alte Wurzeln, ist im Kreis Ahrweiler aber ein vergleichsweise junger Brauch.

 Auch bei der Gimmiger Kirmes gehört im Jahr 1955 das Hahneköppen zum Brauch.

Auch bei der Gimmiger Kirmes gehört im Jahr 1955 das Hahneköppen zum Brauch.

Foto: GAUSMANN

Winnerath, Ehlingen und Oberwinter haben es schon hinter sich. Altenburg, Franken, Gimmigen, Heppingen und Unkelbach sehen ihm noch entgegen, und in Rodder und Wershofen in der Verbandsgemeinde Adenau steht es kurz bevor: das mit der Kirmes verbundene Hahneköppen. Zum Fest gehören vielerorts die Messfeier, Ehrung der Gefallenen, Umzug, Disco, Tanz im Festzelt, Buden und Fahrgeschäfte. Daneben kennen in der Eifel, der Grafschaft, an Ahr und Rhein etliche Dörfer des Ahrkreises das Fähndelschwenken und den Brauch des Hahneköppens.

Beim Wettstreit versuchen die Bewerber um die Königswürde mit verbundenen Augen und stumpfem Säbel den kopfüber aus einem Korb hängenden toten Hahn zu köpfen. Zur Gaudi der Zuschauer zieht oft einer der Veranstalter, meist sind es die Junggesellen, immer wieder den Korb hoch, sodass mancher Schlag ins Leere geht.

Als Erntebrauch und Volksspiel der Kirmes ist das Hahneköppen seit dem 16. Jahrhundert belegt. Eine Karte Matthias Zenders, basierend auf den Fragebögen des Atlas der Deutschen Volkskunde, zeigt als Verbreitungsgebiet im Rheinland 1922 zahlreiche Belege nördlich von Köln und eine auffallende Dichte im Großraum Euskirchen. Südlich der Ahr taucht nur ein Beleg auf. Auf der Grafschaft und im Ahrtal gibt es den Brauch nachweislich erst nach dem letzten Krieg, in einigen Orten seit den 1930er Jahren. Wohl um die Kirmes zu bereichern, griffen die Ausrichter nach diesem Element oder nach dem Schürreskarrenrennen.

Trotz der recht jungen Tradition deuten gerade in der bis 1814 französisch besetzten Rheinregion die Akteure den Brauch oft als symbolischen Widerstand gegen Napoleon. Statt realer Gegenwehr hätte ein Hahn, das Wappentier der Franzosen, herhalten müssen. Nachweise fehlen. "Der rheinische Mythos gallischer Hahn" nennt der Bonner Volkskundler Alois Döring daher die Erklärung in seinem Buch "Rheinische Bräuche durch das Jahr". Auch weil das Hahneköppen im Ernte- und Kirmeskontext schon Jahrhunderte vor der französischen Rheinbesetzung vorkommt, taugt sie nicht. Aufschlussreich ist die "Besatzertheorie" dennoch. Sie gibt dem Bedürfnis Ausdruck, das Hahneköppen, zumal in einer Phase der Anfeindung, aufzuwerten. Als Franzosenattacke erhält der Brauch ein würdigeres Alter, er erscheint überdies als regionale Spezialität, wurzelt also tief in Zeit und Landschaft, gemeinhin immer noch die perfekte Existenzberechtigung für einen Brauch.

Im Kreisgebiet kam das Hahneköppen 1989 vergleichsweise spät in die negativen Schlagzeilen. Tierschützer und andere Brauchbekämpfer schimpften die Übung sei grob, mittelalterlich und barbarisch. Die Veranstalter halten dagegen, die Tiere müssten nicht leiden und würden anschließend verzehrt. Zumindest aber trat Verhaltensunsicherheit auf, da der damalige Landrat Joachim Weiler den Bürgermeistern riet, das Hahneköppen zu unterbinden oder mit künstlichen Hähnen durchzuführen. Nach dem Tierschutzgesetz dürfe kein Tier ohne vernünftigen Grund getötet werden. Das Argument griff hier jedoch nicht, da die Brauchhähne nach dem Köppen auf dem Teller landen. Brauchbefürworter lenken die Aufregung denn auch gerne einmal auf die kaum artgerechte Massengeflügelproduktion. Allein, der Hahn hat Federn gelassen und tritt seitdem, wie anderswo bereits früher, so 1974 in Nettersheim im Kreis Euskirchen, als Papp-, Plastik- oder Textilhahn auf.

Westumer Junggesellen, die 1989 noch einen echten Hahn einsetzten, verzichteten 1990 ganz auf das seit 1951 geübte Hahnenköpfen und griffen stattdessen zum jahrelang nicht mehr durchgeführten Schürreskarrenrennen. In Heppingen schlug man auf ein Gebilde aus Draht, Schaumstoff und Federn. Ebenso versuchten sich die Ehlinger 1989 mit einer Attrappe. Anderthalb Stunden droschen sie auf das Plüschtier ein, bis der Stoff endlich riss und der "erste unblutige Hahnenkönig der Ehlinger Kirmes" ermittelt war.

Glaubte man damals, das Wettschlagen könnte der wachsenden Kritik wegen bald der Vergangenheit angehören, so haben sich die Wogen im Kreisgebiet bis auf Ausnahmen geglättet. Ohnehin kann man den Eindruck gewinnen, es handele sich um "Stellvertreterkämpfe", in denen sich Angehörige verschiedener Lager, hier vermeintliche Aufklärung, da Tradition, gegenseitig belehren wollen.

Dessen ungeachtet wird jedenfalls beim Junggesellenverein Rodder 1919, der 1946 aus dem Gesangsverein hervorging, am Montag, 13. August, dem vierten Tag ihrer Kirmes der neue Hahnenkönig ausgefochten. Spätestens seit Anfang der 1950er Jahre richtet man in Rodder das Hahneköppen aus, weiß der ortsansässige Horst Schneider. Und ihm ist auch bekannt, wie der Verein zu seiner schmucken Motto-Fahne mit dem prachtvollen Hahn kam: Ein eifriger Fahnenschwenker aus Rodder forderte für seine kunstvollen Schwingungen: "Ich will auch eine schöne Fahne haben, nicht so ein altes Dingen."

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