EU Revolte bei Labour: Parteichef Corbyn könnte über Brexit stolpern

London · Jeremy Corbyn ist erst seit neun Monaten an der Spitze der Labour-Partei. Den Brexit bekämpfte er nur halbherzig. Nun versuchen ihn Mitglieder der eigenen Fraktion zum Aufgeben zu zwingen.

 Labour-Chef Jeremy Corbyn könnte der Brexit zum Verhängnis werden.

Labour-Chef Jeremy Corbyn könnte der Brexit zum Verhängnis werden.

Foto: Will Oliver

In der britischen Labour-Partei ist nach dem Brexit-Referendum eine Revolte gegen Parteichef Jeremy Corbyn ausgebrochen. Ein Drittel der Mitglieder seines Schattenkabinetts traten von ihren Posten zurück, um den Druck auf Corbyn zu erhöhen.

Sie werfen ihm mangelndes Engagement im Brexit-Wahlkampf vor. Sie bezweifeln zudem, dass der 67-jährige Corbyn bei möglichen Neuwahlen ein Zugpferd für die Partei wäre. Dagegen ließ Corbyn, der erst im Spätsommer 2015 nach einer Urwahl an die Parteispitze rückte, signalisieren, dass er nicht an Rückzug denke. Corbyn gilt als ausgesprochener Linker in der Partei und als früherer Parteirebell - er hat seit langem viele Kritiker in Partei und Fraktion.

Wahlanalysen hatten ergeben, dass viele Labour-Hochburgen vor allem in Nordengland für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatten. Corbyn hatte den Ausstieg aus der EU nur halbherzig bekämpft. Wenige Tage vor dem Referendum sagte er bei einem TV-Auftritt: "Ich bin kein Liebhaber der Europäischen Union", er plädiere aber für "Drinbleiben". Corbyn fügte hinzu: "Wenn wir in der EU bleiben, muss sie sich dramatisch ändern." Beim britischen Referendum über die Mitgliedschaft in der EU-Vorläufer-Organisation, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), hatte Corbyn 1975 für den Austritt gestimmt.

Am Montagabend (19.00 Uhr MESZ) wollen die Labour-Abgeordneten zusammentreffen, um die Führungsfrage zu erörtern. Laut Medienberichten könnte ein Misstrauensantrag gegen den Oppositionschef gestellt werden. Zehn Mitglieder des Schattenkabinetts haben sich bereits zurückgezogen. Der Sender BBC berichtete, die Hälfte der 30 Schattenminister sei zum Rücktritt bereit, um den Parteichef noch stärker unter Druck zu setzen.

Corbyn entließ in der Nacht zum Sonntag einen seiner schärfsten Kritiker aus dem Schattenkabinett. Hilary Benn, einer der angesehensten Labour-Abgeordneten, hatte Corbyn Führungsschwäche vorgeworfen und bezweifelt, dass die Partei mit Corbyn an der Spitze eine Neuwahl in den kommenden Monaten gewinnen könne. Berichten zufolge soll der Schatten-Außenminister in der Fraktion gegen den Labour-Chef paktiert haben.

Die Gesundheits-Schattenministerin Heidi Alexander schrieb in einem Brief an Corbyn: "So sehr ich Sie als einen Mann der Prinzipien respektiere, glaube ich nicht, dass Sie die Fähigkeit haben, die Antworten zu finden, die unser Land braucht".

Dagegen meinte Schatten-Kanzler John McDonnell, einer der engsten Vertrauten Corbyns, der Parteichef denke nicht daran, den Hut zu nehmen. "Jeremy geht nirgendwo hin", sagte er. Schließlich sei er erst vor neun Monaten in einer Urwahl bestimmt worden.

Der konservative Premierminister David Cameron hatte nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt seinen Rücktritt für Oktober angekündigt. Damit werden auch baldige Neuwahlen wahrscheinlich.

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