Digitale Geldanlage Reich werden mit digitaler Geldanlage?

Kaum ein Thema ist derzeit so in Bewegung wie digitale Geldanlage. Laut einer Studie der Deutschen Bank kommen Robo-Advisor in Deutschland langsam aus ihrer Nische heraus: Allein im vergangenen Jahr stieg das verwaltete Vermögen bei den Anbietern auf rund 3,8 Milliarden Euro. Damit hat sich das Volumen seit dem Jahr 2016 mehr als verzehnfacht.

Wer ist schlauer: Mensch oder Maschine? Eine Frage, die sich Anlegern künftig immer häufiger auf dem Finanzmarkt stellen wird. FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA

Wer ist schlauer: Mensch oder Maschine? Eine Frage, die sich Anlegern künftig immer häufiger auf dem Finanzmarkt stellen wird. FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA

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Auch die Zahl der Anbieter hat sich dynamisch entwickelt: Nach dem Start des ersten Robo-Advisors 2013 gab es innerhalb weniger Jahre rund 40 Angebote. Nach Zusammenschlüssen und Schließungen sind inzwischen etwa 25 Anbieter aktiv.

Das betreute Vermögen verteilt sich auf vergleichsweise wenige Anbieter. Interessant dabei: Es sind vor allem Newcomer oder kleinere Geldinstitute, die diesen Markt derzeit dominieren. Als Marktführer gilt Scalable Capital, der allein mehr als eine Milliarde Euro verwaltet. Zu den größeren Adressen zählen auch Cominvest von der Commerzbank-Tochter Comdirect und Quirion von der Quirin Privatbank, die beim verwalteten Anlagevolumen gerade erst die Grenze von 200 Millionen Euro überschritten haben.

Schaut man sich die Strategien der Anlageroboter an, wird klar – das Grundprinzip ist bei allen Anbietern ähnlich: Sparer geben zunächst an, welche Anlagezeiträume und welche Risikoneigung sie haben. Danach wird das Geld über Fonds und mehrere Anlageklassen wie Aktien, Anleihen oder Immobilien weltweit investiert. Manche Anbieter passen das Portfolio automatisch an, wenn Börsenrisiken wachsen oder Sparziele der Kunden verletzt werden könnten. Die Firmen verlangen meist Gebühren von unter einem Prozent.

Dadurch haben die Geldanlage-Roboter einen Vorteil gegenüber manch anderen Finanzprodukten, findet Karl Matthäus Schmidt. „Verbraucher wissen, was sie bei einem Robo-Advisor bekommen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Quirin Privatbank und Quirion. „Sie haben die volle Kontrolle über ihr Depot und jederzeit Einblick in jedes gewählte Anlagepapier samt Wertentwicklung.“ Bei aktiven Fonds sei das Agieren des Managers dagegen wenig transparent.

Ähnlich sieht das auch Professor Stefan Mittnik, der den Robo-Advisor Scalable mit auf den Weg gebracht hat. Digitale Vermögensverwaltung senkt aus seiner Sicht zudem die Einstiegshürde für unerfahrene Anleger. „Viele sehen derzeit keine Alternativen zum Sparbuch“, sagt der Professor für Finanzökonometrie und Direktor des Center for Quantitative Risk Analysis an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. „Die Alternative wäre: Sie nehmen die Geldanlage selbst in die Hand. Aber das trauen sich viele nicht.“

Etwas kritischer bewertet Verbraucherschützer Niels Nauhauser die digitale Vermögensverwaltung: „Eine Technologie, die vollständig ohne persönliche Kommunikation auskommt, wird leicht als neutral, objektiv und interessenfrei dargestellt“, sagt der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Bei Robo-Advice ist das aber nur vordergründig der Fall.“ Zweck der Angebote sei schließlich auch hier, Dienstleistungen rund um die Vermögensverwaltung oder Geldanlageprodukte zu verkaufen. Verbraucher könnten die Qualität von Robo-Advice kaum bewerten.

Bisher scheinen sich die digitalen Angebote für Kunden auszuzahlen. Laut der Studie der Deutschen Bank haben die Anlageroboter mit im Schnitt vier Prozent Rendite im Jahr 2017 und Verlusten von mehr als fünf Prozent im schwierigen Börsenjahr 2018 solide abgeschnitten. Damit lagen sie vor vergleichbaren aktiv gemanagten Fonds.

Allerdings: Einen wirklichen Crash haben die Finanzmärkte in den letzten Jahren nicht erlebt. Insofern mussten sich die Produkte noch nicht in einer Krise bewähren.

„Solange alle zufrieden sind, gibt es auch keine großen Probleme“ sagt Rechtsanwalt Thorsten Krause aus München. Das kann sich aber ändern, wenn Anleger auch bei ihrem Robo-Advisor mit größeren, unerwarteten Kursverlusten konfrontiert werden. „Dann stellt sich schnell die Frage der Haftung.“ Das Problem: „Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt noch vollständig analog“, sagt der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Mit den Problemen rund um die digitale Vermögensverwaltung haben die Gerichte bisher keine Erfahrung.

Ein Beispiel: „Nach Aufsichtsrecht ist die natürliche Person anzugeben, der die Beratung zuzurechnen ist“, erklärt der Jurist. Wer aber solle das bei digitalen Produkten sein? „Der Berater, der die grundsätzlichen Empfehlungen für die Programmierung festgelegt hat, der Programmierer, der die Entscheidungsalgorithmen letztlich erstellt und eingebunden hat oder eine weitere Person, die sich für den kompletten Robo-Advisor verantwortlich zeichnet?“

Anleger sollten ein wenig Wissen mitbringen, wenn sie sich auf Robo-Advisor einlassen, finden die Experten der Stiftung Warentest. Robo-Advisor seien für Anleger geeignet, die sich grundsätzlich mit Geldanlage, Fonds und börsengehandelten Indexfonds, sogenannten ETFs, auskennen. Denn nur dann könnten sie das vorgeschlagene Portfolio einschätzen.

Ob diese Vermögensverwaltung auf Dauer funktioniert, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Erst in einigen Jahren wird sich zeigen, wer schlauer ist: der Mensch oder die Maschine.⋌dpa

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