Kritik an Armutsprävention Regierung will Renten in Deutschland absichern

Berlin · Mit zweistelligen Milliardensummen soll den 20 Millionen Rentnern mehr Sicherheit bei ihren Bezügen gegeben werden. Benachteiligte Gruppen sollen bessergestellt werden. Kritik lässt nicht lange auf sich warten.

 Bundesarbeitsminister Hubertus Heil präsentiert erste Pläne für eine Rentenreform.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil präsentiert erste Pläne für eine Rentenreform.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Die Rentner in Deutschland sollen durch eine milliardenschwere Reform vor zu geringen Altersbezügen geschützt werden.

Die Bundesregierung will besonders die Renten von rund drei Millionen Müttern und Vätern sowie jene von rund 170 000 krankheitsbedingten Frührentnern aufbessern. Zudem sollen rund drei Millionen Geringverdiener mit Einkommen bis 1300 Euro entlastet werden. Das sieht ein Rentenpaket vor, das Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin präsentierte . "Nach einem Leben voller Arbeit soll man im Alter ordentlich abgesichert sein", sagte er.

Der "Rentenpakt" soll in der Rentenversicherung bis 2025 rund 30 Milliarden Euro kosten. Dabei entfallen rund 19 Milliarden Euro auf Beitrags- und rund 11 Milliarden auf Steuermittel des Bundes. Für eine Obergrenze beim Beitragssatz bei 20 Prozent will der Bund durch einen Demografiefonds vorsorgen, in den von 2021 bis 2024 acht Milliarden Euro fließen sollen. Heil schickte sein Rentenpaket in die Abstimmung der Regierung. Die Union signalisierte Zustimmung. Das Gesetz soll ab Jahresanfang 2019 gelten.

Viele Menschen fragten sich: "Reicht meine Rente später für ein gutes Leben?", so Heil. "Mein Ziel ist es, dass wir dieses Kernversprechen des Sozialstaats jetzt erneuern." Die gesetzliche Rente müsse die zentrale Säule der Alterssicherung bleiben. Diese Verlässlichkeit sei auch wichtig als Reaktion auf "politische Scharlatane", sagte Heil mit Blick auf die AfD, die derzeit um ein Rentenkonzept ringt.

Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, soll das Rentenniveau bis 2025 bei 48 Prozent stabilisiert, der Beitragssatz mit einer Obergrenze von 20 Prozent versehen werden. Das Rentenniveau ist das Verhältnis zwischen einer Rente nach 45 Jahren Durchschnittslohn und dem aktuellen Durchschnittsverdienst - es zeigt, ob die Renten den Löhnen hinterherhinken. Die "Haltelinie" auf Höhe des heutigen Sicherungsniveaus soll durch einen Automatismus garantiert sein.

Im geplanten Demografiefonds gesammelte Steuermilliarden sollen dafür sorgen, dass dennoch der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigt. Hierfür will Finanzminister Olaf Scholz (SPD) von 2021 bis 2024 acht Milliarden Euro bereitstellen. Aus Heils Sozialhaushalt sollen für diese "Haltelinie" beim Beitragssatz zudem insgesamt weitere zwei Milliarden als Erhöhung des Bundeszuschusses fließen. Eine aus heutiger Sicht mögliche Senkung des Rentenbeitragssatzes von derzeit 18,6 auf 18,3 Prozent 2019 lehnte Heil ab.

Für die Zeit nach 2025 will Heil bis Ende der Wahlperiode Vorschläge einer derzeit tagenden Rentenkommission umsetzen. Im kommenden Jahr will er eine Grundrente für langjährig Geringverdiener einführen.

Den mit 3,7 Milliarden Euro pro Jahr teuersten Posten des Rentenpakets macht die Mütterrente II aus. Erziehende Mütter oder Väter von mehr als zwei Kindern, die vor 1992 geboren wurden, sollen auch das dritte Erziehungsjahr bei der Rente anerkannt bekommen. Heil erläuterte, denkbar sei auch, alle betroffenen Elternteile - nicht nur die kinderreichen - besserzustellen, dafür in geringerem Maß. Dies müsse im weiteren Verfahren vom Bundestag entschieden werden.

Ab kommendem Jahr sollen zudem alle, die neu wegen Krankheit in Frührente kommen, bei der Rente so gestellt werden, wie wenn sie bis zum normalen Rentenalter gearbeitet hätten. Trotz Verbesserungen in der Vergangenheit müssen diese Erwerbsminderungsrentner heute oft empfindliche Abschläge in Kauf nehmen. Viele brauchen Grundsicherung. Diese Verbesserung soll 2019 zunächst 100 Millionen Euro kosten, die Kosten wachsen bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr im Jahr 2015.

Geringverdiener sollen zudem entlastet werden. Die Einkommensgrenze, ab der volle Sozialbeiträge gezahlt werden müssen, soll von 850 auf 1300 Euro steigen. Das soll ihre Rente später nicht mindern. Diese Rentenaufstockung soll 200 Millionen Euro pro Jahr kosten.

Für die Union im Bundestag signalisierte ihr Sozialexperte Peter Weiß (CDU) Zustimmung: "Mit dem Rentenpaket werden wichtige Punkte aus dem Koalitionsvertrag auf den Weg gebracht." Die Rentenversicherung forderte, die Mütterrente II und die Aufstockung bei Geringverdienern anders als geplant voll aus Steuermitteln zu bezahlen.

Der Arbeitgeberverband BDA nannte das Rentenpaket teuer und ungerecht. "Es bedeutet milliardenschwere Zusatzbelastungen für die gesetzliche Rentenversicherung und erschwert ihre langfristige Finanzierbarkeit", sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach begrüßte hingegen, der automatische Renten-Sinkflug werde gestoppt. Mehrere Sozialverbände monierten zu wenig Verbesserungen.

Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte: "Die Vorschläge (...) bleiben weit hinter den Herausforderungen zurück." Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel warf der Koalition vor, Wahlkampfgeschenke zu verteilen, "als gäbe es kein Morgen".

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